Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 27.05.2005; Aktenzeichen 15 O 3117/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.04.2008; Aktenzeichen III ZR 252/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Leipzig vom 27.5.2005 - 15 O 3117/04 - wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gebührenstreitwert wird festgesetzt auf 353.129,12 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen einer rechtswidrig erteilten Baugenehmigung geltend.

Die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die im Übrigen in Bezug genommen werden (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) sind dahingehend zu ergänzen, dass die Klägerin am 16.9.1997 Kenntnis vom Widerspruch des Eigentümers des angrenzenden landwirtschaftlichen Betriebs erlangten. Nach der Baufreigabe für die Erdarbeiten vom 9.9.1997 begann die Klägerin am 15.9.1997 mit dem Bau, während die Baufreigabe für die Tiefbauarbeiten am 19.9.1997 erfolgte.

Das LG hat die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, die konkreten Schäden seien nicht vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht umfasst. Insbesondere seien Schäden nach Erteilung der Baugenehmigung deswegen nicht zu ersetzen, weil die Klägerin vor der Baufreigabe hinreichend gewarnt worden sei durch die Kenntnis vom Nachbarwiderspruch. Zudem sei die haftungsbegründende Kausalität für die anderen Schadenspositionen abzulehnen.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer - eingeschränkten - Berufung. Sie meint insbesondere, sie habe auf die Baugenehmigung vertrauen können.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des LG Leipzig vom 27.5.2005 - 15 O 3117/04, verurteilt, an die Klägerin 353.129,12 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird unter Abänderung des am 27.5.2005 verkündeten Urteils des LG Leipzig, Az.: 15 O 3117/04, festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden aus der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 1.9.1997 für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses auf dem Grundstück ... straße.. in ... zu erstatten.

Die Beklage beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt im Wesentlichen das landgerichtliche Urteil.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S. Auf die Niederschrift der Sitzung vom 12.7.2006 wird verwiesen.

II. Die Berufung ist nach den Feststellungen in der Sitzung vom 7.12.2005 statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Inwiefern durch den Nachbarwiderspruch das Vertrauen der Klägerin, sie könne ihr Bauvorhaben nunmehr verwirklichen, ohne mit öffentlich rechtlichen Hindernissen rechnen zu müssen, zerstört wird, kann der Senat offen lassen (1.). Trotz des Nachbarwiderspruchs hat jedenfalls die Klägerin jede nur erdenkliche Vorsicht bei Seite geschoben und den Weiterbau derart unabhängig von der problematischen Rechtslage vorangetrieben, dass sie an dem bei ihr eingetreten Schaden ein überwiegendes Mitverschulden trifft (2.). Wegen der Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches und der Schadenspositionen vor Erteilung der Baugenehmigung macht sich der Senat die Ausführungen des LG zu eigen.

1. Die Klägerin konnte grundsätzlich auf die Baugenehmigung vertrauen. Mit dieser Genehmigung konnte sie davon ausgehen, ihr Bauvorhaben verwirklichen zu können, ohne mit öffentlich rechtlichen Hindernissen rechnen zu müssen (sog. "Verlässlichkeitsgrundlage", vgl. BGH vom 5.5.1994 - III ZR 28/93, NJW 1994, 2087; BGHZ 106, 323 in NJW 1989, 976). Begrenzt wird dieser Vertrauensschutz jedenfalls dann, wenn nach allgemeinem Verwaltungsrecht von vornherein jeder Vertrauensschutz ausscheidet, also in den Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (vgl. BGH vom 16.1.1997 - III ZR 117/95 in NVWZ 1997, 714). In diesem Rahmen ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Rechtsanwendungsrisiko grundsätzlich bei der Behörde liegt, so bei den Fällen der Einordnung des Baugebietes nach § 15 Baunutzungsverordnung (vgl. BGH vom 11.10.2001 - III ZR 63/00, BGHZ 149, 50 in NJW 2002, 432). Auch bei einer Anfechtung der Baugenehmigung durch einen Dritten entfällt der Vertrauensschutz "jedenfalls dann nicht ohne weiteres völlig (vorbehaltlich einer Risikoüberwälzung auf den Genehmigungsinhaber gem. § 254 BGB), wenn und solange der Verwaltungsakt sofort vollziehbar ist" (BGH vom 16.1.1997 - III ZR 117/95, a.a.O.).

Bei der Anwendung dieser Maßstäbe kann der Klägerin jedenfalls eine positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nicht vorgehalten werden. Nicht nur die Umstände sprech...

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