Verbotene Eigenmacht des Autovermieters durch Fahrzeugrückholung
Gerät der Mieter eines Fahrzeugs mit dem geschuldeten Mietzins in Zahlungsverzug, so darf der Vermieter das Fahrzeug ohne den Willen des Mieters nicht einfach in seinen Besitz zurückführen und abholen. Die in einem solchen Verhalten liegende verbotene Eigenmacht führt zu Regressansprüchen des Mieters.
Geschäftsmodell „Cash & Drive“
In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall betreibt die Beklagte ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Unter anderem bietet sie ein sogenanntes „Cash & Drive“-Verfahren für Kunden mit kurzfristigen Liquiditätsengpässen an. Im Rahmen dieses Geschäftsmodells kauft die Beklagte Kraftfahrzeuge von illiquiden, bonitätsschwachen Fahrzeughaltern auf und vermietet diesen anschließend die Fahrzeuge zu einem monatlichen Mietzins („sale & lease back“).
AGB mit Recht auf Selbsthilfe
Die Klägerin hatte der Beklagten einen neun Jahre alten Kleinwagen zum Preis von 1.500 EUR verkauft und diesen anschließend zu einem monatlichen Mietzins von knapp 150 EUR zurückgemietet. Die AGB der Beklagten sahen vor, dass die Vermieterin das Fahrzeug nach Beendigung des Mietvertrages von sich aus wieder in Besitz nehmen und ohne Vorankündigung sicherstellen konnte. Nach den AGB war sie berechtigt, das befriedete Besitztum des Mieters auch zur Nachtzeit zu betreten.
Fahrzeug ohne Zustimmung abgeholt
Als die Klägerin mit der Zahlung des monatlichen Mietzinses in Rückstand geriet, erklärte die Beklagte die Kündigung des Mietverhältnisses und forderte von der Klägerin die umgehende Rückgabe des Fahrzeuges. Sie ließ es dann ohne weitere Erklärung und ohne Einverständnis des Klägers bei dieser abholen und veräußerte das Fahrzeug im Rahmen einer Versteigerung.
Mieterin hat Anspruch auf Schadenersatz
Die Klägerin verklagte die Beklagte zunächst auf Rückgabe des Fahrzeugs und erwirkte einen Herausgabetitel, dessen Vollstreckung wegen mangelnder Kenntnis vom Verbleib des Fahrzeugs nicht möglich war. Daraufhin verklagte sie die Beklagte erneut und forderte
- Wertersatz für das Fahrzeug in Höhe von 3.057 Euro,
- eine Nutzungsentschädigung für einen knapp 2-jährigen Zeitraum in Höhe von 17.000 Euro.
Das erstinstanzliche zuständige LG gab der Klage unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin in Höhe von knapp der Hälfte der geforderten Beträge statt.
Unangemessene Benachteiligung der Mieterin durch AGB
Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil blieb weitgehend erfolglos. Das OLG bewertete die Bestimmungen in den AGB der Beklagten, wonach die Beklagte das Fahrzeug gegen den Willen der Mieterin in ihren Besitz bringen durfte, als unwirksam. Diese Bestimmung beinhalte eine unangemessene Benachteiligung der Mieter und halte damit der AGB-Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand.
AGB in Widerspruch zum Gesetz
Nach Auffassung des OLG widerspricht die AGB-Regelung dem Grundgedanken der Besitzregeln sowie der Regeln zur verbotenen Eigenmacht gemäß §§ 858 ff BGB. Diese Regeln hätten den Zweck, im Mietverhältnis und auch allgemein im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Selbstexekution und Selbstjustiz zu verhindern. Die konkrete Regelung der AGB hätten den Sinn, der Klägerin entgegen der Intention des Gesetzes die Option der Selbstdurchsetzung von Ansprüchen einzuräumen.
Rücknahme des Fahrzeugs war rechtswidrig
Damit bewertete der Senat das konkrete Verhalten der Beklagten, das Fahrzeug in eigener Regie ohne Benachrichtigung der Klägerin abzuholen und anschließend zu versteigern, als rechtswidrig und als verbotene Eigenmacht im Sinne des Gesetzes.
Beklagte ist schadenersatzpflichtig
Aufgrund ihres rechtswidrigen Verhaltens habe die Beklagte sich schadensersatzpflichtig gemacht. Sie schulde der Klägerin Ersatz des erlittenen Wertverlustes infolge der Versteigerung des Fahrzeugs sowie die Zahlung von Nutzungsentschädigung für die Dauer der Vorenthaltung des Besitzes.
Mitverschulden der Klägerin
Allerdings hatte die Klägerin nach Auffassung des OLG gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie nahezu 2 Jahre abgewartet habe, bis sie sich ein anderes Fahrzeug zugelegt hatte. Deshalb habe sie sich bei der Entstehung des von ihr erlittenen Schadens ein hälftiges Mitverschulden anrechnen zu lassen.
(OLG Frankfurt, Urteil v. 26.5.2023, 2 U 165/21)
Hintergrund:
Das „Cash & Drive“ - Modell, mit dem illiquiden Kunden versprochen wird, unkompliziert und schnell an Bargeld zu kommen, war auch in anderen Zusammenhängen schon häufiger Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.
„Cash & Drive“ – Modell kann sittenwidrig sein
In einem Fall, in dem der Pfandleiher und Vermieter einem Kunden für sein Fahrzeug im Wert von 13.000 Euro einen Kaufpreis von 5.000 Euro gezahlt hatte und der Kunde in wenigen Monaten an Miete und Gebühren 4.500 Euro aufbringen musste, hat der BGH unter Berücksichtigung der Relation von Kaufpreis, Fahrzeugwert und Mietzahlungen Sittenwidrigkeit wegen wucherähnlicher Zahlungsvereinbarungen angenommen. In seiner Entscheidung betonte der BGH, dass für die Bewertung der Sittenwidrigkeit Verkaufsgeschäft und Vermietungsgeschäft als Gesamtheit betrachtet werden müssen (BGH, Urteil v. 16.11.2022, VII ZR 436/21).
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