Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt in einem Beitragserhöhungsschreiben in der Privaten Krankenversicherung die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist die Erhöhung formell unwirksam.
2. Wird die erforderliche Begründung später nachgeholt, wird hierdurch die für die Neufestsetzung angeordnete Frist in Lauf gesetzt.
3. Es reicht aus, wenn sich die erforderlichen Angaben aus einer Zusammenschau der übersandten Unterlagen ergeben; es ist nicht erforderlich, dass diese im Erhöhungsschreiben selbst enthalten sind.
4. Mit Erhalt des jeweiligen Anpassungsschreibens ist auch dann die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis gegeben, wenn der Versicherungsnehmer in Unkenntnis über die Rechtslage ist.
5. Eine auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 MB/KK vorgenommene Beitragsanpassung ist wirksam.
6. Die Abweichung des auslösenden Faktors über den Schwellenwert hinaus löst die Anpassung aus und hindert den Versicherer nicht an einer Prämienerhöhung.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2652/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 27.07.2021 - 3 O 2652/20 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrag abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert für die erste Instanz wird auf 16.805,67 EUR und für das Berufungsverfahren auf 19.297,83 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen im Rahmen einer für ihn selbst, seine Ehefrau und seine Kinder abgeschlossenen Kranken-/Krankentagegeldversicherung nebst Rückzahlung bereits entrichteter Beiträge und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Tariferhöhungen:
Für ihn selbst die Tariferhöhungen T... zum 01.01.2014 und 01.01.2020; P... und N... zum 01.01.2011 und 01.01.2017 jeweils mit dazugehörigem Beitragszuschlag; für S... N... die Erhöhung der Tarife P... zum 01.01.2011, 01.01.2016 und 01.01.2017 nebst gesetzlichem Beitragszuschlag, K... zum 01.01.2019 und N... zum 01.01.2011 und 01.01.2017 sowie für das Kind M... den Tarif P... zum 01.01.2017 und für das Kind L... den Tarif B... zum 01.01.2016.
Der Beitragserhöhung zum 01.01.2020 lag eine Mitteilung vom 16.11.2019 (Anlage BLD4 - wie auch die folgenden zitierten Mitteilungen) zugrunde, in der es unter anderem heißt:
"Einzelheiten zu Ihrem Vertrag finden Sie in der beigefügten Mitteilung über die Änderung der Beiträge. Dort nennen wir auch die Gründe der jeweiligen Änderung."
Hinsichtlich des hier betroffenen Tarifes heißt es in der beigefügten tabellarischen Mitteilung unter anderem:
"Hinweis A".
Erläutert wird Buchstabe A im weiteren Verlauf wie folgt:
"Hinweis: A Beitragsanpassung infolge veränderter Leistungsausgaben"
Im beigefügten Informationsblatt "Beitragsanpassung zum 01. Januar 2020" heißt es unter anderem wie folgt:
"Demnach müssen wir die Beiträge anpassen, wenn sich die Versicherungsleistungen oder die Sterblichkeit und damit die Lebenserwartung deutlich und nicht nur vorübergehend verändern. Veränderungen anderer Rechnungsgrundlagen, insbesondere der Zinserträge, lösen keine Antragsanpassung aus."
In der anschließend aufgeführten Tabelle wird unter anderem für den hier betroffenen Tarif der auslösende Faktor benannt und heißt es weiter im Anschluss zur Erläuterung:
"An den genannten Werten können Sie erkennen, dass der auslösende Faktor für Versicherungsleistungen den jeweiligen Schwellenwert überschritten hat. Der auslösende Faktor für die Sterblichkeit hat den Schwellenwert jeweils nicht überschritten."
Die Beitragsanpassungsmitteilung zum 01.01.2019, vom 03.11.2018 weist inhaltlich die gleiche Struktur auf wie die Mitteilung für 2020.
In der Beitragsanpassungsmitteilung vom 25.10.2016 zum 01.01.2017 teilte die Beklagte dem Kläger unter anderem mit:
"Die Kosten für Behandlungen und Medikamente sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen."
und:
"Auslöser der Beitragsanpassung sind veränderte Versicherungsleistungen."
Im Informationsblatt "Versicherungsleistungen und Beiträge" findet sich folgende Formulierung:
"Jedes Jahr werden die ausgezahlten Versicherungsleistungen mit denen verglichen, die in den Beiträgen eingerechnet sind. Nur wenn diese voneinander abweichen und die Abweichung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, können die Beiträge überprüft und bei Bedarf angepasst werden."
In den Beitragsanpassungsmitteilungen für die Jahre 2016, 2014 und 2012 ist ebenso wie in den zuvor zitierten Anpassungsinformationen die Änderung der Berechnungsgrundlage tarifbezogen in der Weise dargestellt, dass durch den "A" hinter dem jeweiligen betroffenen Tarif und die darauffolgenden Erläuterungen, was sich hinter ...