Leitsatz (amtlich)

Anderweitige Verwendung der Arbeitskraft - Füllaufträge bei Auftragsvolumen über Kapazität.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 10 O 424/15)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 15.03.2023; Aktenzeichen VII ZR 150/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin - unter deren Zurückweisung im Übrigen - wird die Beklagte unter Abänderung von Ziffer 1. des Urteils des Landgerichts Dresden vom 16. Juli 2020, Az.: 10 O 424/15, verurteilt, an die Klägerin 5.987,99 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten seit dem 24. August 2014 zu zahlen.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision der Klägerin gegen dieses Urteil wird hinsichtlich eines Betrages von 22.054,36 EUR als ersparte Aufwendung zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 56.000 EUR festgesetzt, davon 35.000 EUR für die Klage und 21.000 EUR für die Widerklage

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über wechselseitige Ansprüche aus einem von der Beklagten als Bestellerin gekündigten Vertrag über eine Fassadenreinigung. Die Klägerin macht vor allem Werklohn für nicht erbrachte Leistungen geltend, die Beklagte widerklagend als Schadensersatz die Kosten der Beauftragung eines Dritten.

Die Klägerin ist ein im Bereich von Anstreich- und Fassadenreinigungsarbeiten tätiges Unternehmen mit ca. 40 Mitarbeitern und einem durchschnittlichen Jahresumsatz von ca. 4 Mio. EUR. Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs bewirbt sie sich kontinuierlich um nahezu alle ausgeschriebenen Aufträge und nimmt auch Aufträge entgegen, die ihre jeweiligen eigenen Leistungskapazitäten übersteigen würden. Eine kontinuierliche und mittelfristig vorausschauende Kapazitäts- und Leistungsplanung ist in ihrem Geschäftsbereich nicht möglich. Die Verhältnisse in der Bauwirtschaft bringen es mit sich, dass die Klägerin erst kurzfristig erkennen kann, welchen von mehreren Aufträgen sie als nächstes (teilweise) erfüllen kann und muss. Hierzu verschiebt sie ihr Personal regelmäßig zwischen den einzelnen Baustellen und Aufträgen.

Die Beklagte ist die öffentlich-rechtliche Körperschaft des Handwerks. Bei dem betroffenen Gebäude handelt es sich um das Ausbildungszentrum der Beklagten.

Die Beklagte erteilte den Auftrag zum Gesamtbrutto-Preis von 39.735,89 EUR aufgrund eines Angebots der Klägerin, dem das Leistungsverzeichnis der Beklagten zugrunde lag. Die Parteien vereinbarten eine Leistung aufgrund von Einheitspreisen. Nach Vertragsabschluss kam es zu mehreren Vertragsänderungen.

Die beauftragte Fassadenreinigung sollte die Grundlage für eine anschließende Fassadensanierung schaffen. Das betroffene Gebäude verfügte über ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) mit nicht näher bekannter Mineralwolle. Der über dem WDVS vorhandene Putz wies Schäden auf, wobei das Ausmaß dieser Schäden unter den Parteien streitig ist. Unter Position 2.02.001 "Fassade reinigen" war vorgesehen: "Untergrundvorbehandlung: Verunreinigungen, Algen, Trennmittelrückstände oder Mehlkornschichten durch Druckwasserstrahlen entfernen". Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Art der Reinigung. Die Klägerin war der Auffassung, die ausgeschriebene und vereinbarte Reinigung mit Druckwasser (60 bar) genüge aufgrund des Verschmutzungsgrades der Wand nicht und werde wegen der im Putz vorhandenen Löcher und Risse das WDVS schädigen. Eine Reinigung müsse mit Bürsten erfolgen. Die Beklagte hielt die ausgeschriebene Leistung für geeignet, um den angestrebten Erfolg herbeizuführen. Sie wies die Klägerin an, mit höherem Wasserdruck zu arbeiten; sollten Schäden an der Fassade nachweislich dadurch entstehen, dass der vorhandene Untergrund nicht den derzeit anerkannten Regeln der Bautechnik entspreche, würden keine Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Als sich die Klägerin hierauf nicht einließ, kündigte die Beklagte den Vertrag - nach ihrer Auffassung außerordentlich, nach Auffassung der Klägerin ordentlich. Anschließend beauftragte die Beklagte einen weiteren Unternehmer mit der Fassadenreinigung. Dieser erzielte unter Anwendung der sog. "Storch-Krake", einem auf rotierenden Hochdruck-Wasserstrahlen beruhenden Reinigungssystem, ein zufriedenstellendes Reinigungsergebnis. Anschließend führt die Beklagte plangemäß die Sanierung der Fassade durch.

Nach Vertragskündigung setzte die Klägerin ihr Personal auf anderen Baustellen ein. Weder entließ sie Personal oder versetzte sie dieses in Kurzarbeit. Leerläufe in ihrem Unternehmen entstanden ihr nicht.

Die Klägerin legte Rechnung auf der Basis des Vertrages einschließlich der bis dahin erfolgten Vertragsänderungen. Für nicht erbrachte Werkleistungen rechnete ...

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