Leitsatz (amtlich)
Gegen die Vollstreckbarerklärung eines niederländischen Urteils kann der Schuldner auch nach In-Kraft-Treten der EuGVVO gem. § 12 Abs. 1 AVAG mit der Beschwerde geltend machen, der titulierte Anspruch sei nach Urteilserlass durch Erfüllung erloschen, wenn der Gläubiger dieselbe nicht bestreitet.
Normenkette
EuGVVO Art. 43, 45 Abs. 1; AVAG § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 6 O 300/04) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Das Gesuch des Antragstellers, das Urteil des AG Venlo vom 26.6.2002 zu dem Aktenzeichen 87608/CV EXPL 02-126 für vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Wert des Beschwerdegegenstands: bis 900 EUR.
Gründe
I. Der Antragsteller beabsichtigt, aus dem Urteil des AG Venlo vom 26.6.2002 gegen den Antragsgegner in Deutschland zu vollstrecken, und zwar wegen einer dort ausgeurteilten Hauptforderung von 313,20 EUR zzgl. der gesetzlichen Zinsen ab dem 30.11.2001 und der festgestellten Kosten des Rechtsstreits i.H.v. 495,07 EUR.
Auf Antrag des Antragstellers vom 14.4.2004 hat die stellvertretende Vorsitzende der 6. Zivilkammer des LG Mönchengladbach in dem angefochtenen Beschluss angeordnet, das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen und zugleich den Inhalt des zu vollstreckenden Titels festgestellt.
Gegen diesen ihm am 22.11.2004 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 22.12.2004 eingegangenen Beschwerde vom selben Tag.
Der Antragsgegner macht geltend:
Er habe am 25.9.2002 an den Antragsteller 843,71 EUR überwiesen und damit dessen Forderungen aus dem Urteil vollständig erfüllt.
Diesem Vorbringen ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Grundlage der Prüfung ist neben dem AVAG das Kapitel III der am 1.3.2002 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Das ergibt sich allerdings nicht aus dem Art. 66 Abs. 1 EuGVVO, der für die Anwendbarkeit der Verordnung allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abstellt. Denn dem Akteninhalt lässt sich nicht entnehmen, wann die dem Titel zugrunde liegende Klage erhoben wurde. Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften folgt jedoch aus Art. 66 Abs. 2a) EuGVVO). Die Niederlande und Deutschland sind Ursprungsmitgliedsstaaten im Sinne dieser Norm. Ferner ist die Klage nach In-Kraft-Treten des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) erhoben worden und das niederländische Urteil ist nach In-Kraft-Treten der EuGVVO ergangen.
2. Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des LG eingegangene Beschwerde des Antragsgegners ist gem. Art. 43 EuGVVO; § 11 AVAG zulässig.
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsgegner hat die ausgeurteilte Forderung des Antragstellers nach Urteilserlass vollständig erfüllt, weshalb letzterer keinen Anspruch auf Erteilung einer Klausel zur Betreibung der bereits erloschenen Forderung hat.
a) Offen bleiben kann hierbei, ob bei einer unstreitigen Erfüllung der im ausländischen Urteil titulierten Forderung bereits das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers an der Erteilung einer Vollstreckungsklausel zur Betreibung des ausgeurteilten Betrags in Deutschland fehlt. Das nimmt das OLG Köln an und verweist darauf, in diesem Zusammenhang könne nichts anderes gelten als etwa bei der Handlungsvollstreckung nach den §§ 887, 888 ZPO, bei der ebenfalls in den Fällen, in denen die dem Erfüllungseinwand zugrunde liegenden Tatsachen unstreitig seien, nach zutreffender Auffassung einem Vollstreckungsantrag des Gläubigers bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehle (OLG Köln NJOZ 2004, 3448 f.). Ob dem zu folgen ist, muss nicht entschieden werden, weil das Begehren des Antragstellers, wie noch darzulegen sein wird, jedenfalls sachlich nicht gerechtfertigt ist, weshalb die Prüfung, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag besteht, entbehrlich ist. Dagegen spricht nicht, dass grundsätzlich in die Sachprüfung erst eingetreten werden darf, wenn feststeht, dass die Prozessvoraussetzungen gegeben sind. Das Rechtsschutzbedürfnis hat als Prozessvoraussetzung die Funktion, zu verhindern, dass Gegner und Gericht ohne ausreichendes Interesse an gerichtlichem Rechtsschutz durch ein Verfahren belastet werden. Diesem Zweck entspricht es nicht, die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses als Zulässigkeitsvoraussetzung auch dann zu fordern, wenn die Unbegründetheit eines Antrags bereits feststeht (BGH v. 26.9.1995 - KVR 25/94, NJW 1996, 193 [195]; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., vor § 253 Rz. 10, jeweils m.w.N.).
b) Aufgrund der nach dem Erlass des niederländischen Urteils erfolgten Erfüllung der ausgeurteilten Forderung, die der Antragsgegner dem Antrag...