Leitsatz (amtlich)
Der Vollstreckbarerklärung einer in 2004 durch ein polnisches Gericht titulierten Unterhaltsforderung seiner minderjährigen Tochter kann der Schuldner wegen der mit Blick auf Art. 45 Abs. 1 EuGVVO gebotenen gemeinschaftskonformen Auslegung des § 12 Abs. 1 AVAG nicht erfolgreich mit dem - bestrittenen - Einwand begegnen, er habe den gesamten ausstehenden Unterhalt in einem Betrag in 2005 beglichen.
Normenkette
Haager Übereinkommen Art. 4-5, 17, 23; EuGVVO Art. 38, 43, 45; AVAG § 1 Abs. 1 Nr. 1c, § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 19 O 321/05) |
Tenor
Das Rechtsmittel des Antragsgegners wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Gesuch des Antragsgegners um Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Gregor Goniwiecha in 40667 Meerbusch bewilligt.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 8.000 EUR.
Gründe
I. Die Vorsitzende der 19. Zivilkammer des LG Wuppertal hat durch Beschl. v. 28.10.2005 auf Gesuch der Antragstellerin u. A. angeordnet:
"Das Urteil des Bezirksgerichts in Opole/Polen vom 23.7.2004 - Aktenzeichen: IRC 470/03 - zu Ziff. 3, durch das der Beklagte verurteilt wird, zugunsten der minderjährigen A. G. B., geboren am 1992, Unterhaltsgeld monatlich i.H.v. 400 PLN im Voraus bis zum 15. jeden Monats zu Händen der Mutter der Minderjährigen zu zahlen mit gesetzlichen Zinsen im Falle der Zahlungsverzögerung einer der monatlichen Raten, wird für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar zu erklärt.
Das Urteil des Berufungsgerichts Wroclaw/Polen vom 20.12.2004 - Aktenzeichen I A Ca 1330/04 - zu Ziff. 2, durch das der Antragsgegner verurteilt wird, die Prozesskosten der Berufung i.H.v. 1.270 PLN an die Antragstellerin zu zahlen, wird für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt."
Gegen diesen Beschl. v. 28.10.2005 wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er die Änderung des angefochtenen Beschlusses dahin, dass das Urteil des Bezirksgerichts in Opole/Polen vom 23.7.2004 nicht für vollstreckbar erklärt wird, bzw. die Unzulässigerklärung der Vollstreckungsklausel des LG begehrt.
Er begründet sein Rechtsmittel dahin, dass die rechtskräftig festgestellte Forderung durch Zahlung erloschen sei. In diesem Zusammenhang verweist er auf die eingereichte Ablichtung einer in polnischer Sprache verfassten Quittung vom 4.4.2005 nebst Übersetzung. Nach der hieraus sich ergebenden Vereinbarung der Beteiligten habe er, der Antragsgegner, seine Unterhaltspflicht durch Übergabe von 30.800 PLN an die Antragstellerin zugunsten der gemeinsamen minderjährigen Tochter A. für den Zeitraum August 2004 bis Dezember 2010, dem Eintritt der Volljährigkeit, erfüllt.
Im Übrigen bittet der Antragsgegner, ihm für seine Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.
Die Antragstellerin, die ihrerseits um Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung ihres Rechtsanwalts nachsucht, tritt dem entgegen und bestreitet unter Beweisantritt, die Zahlung am 4.4.2005 oder zu einem anderen Zeitpunkt erhalten oder quittiert zu haben. Am 4.4.2005 sei sie von 9.30 Uhr bis 18.30 nicht zu Hause gewesen; abends sei sie mit ihrer Tochter zusammen gewesen, die bezeugen könne, dass der Antragsgegner mit ihr, der Antragstellerin, nicht in Kontakt getreten sei, insb. keine Zahlungen an sie geleistet habe. Sie habe den Antragsgegner im Jahre 2005 nicht gesehen. Sie vermute, dass der Antragsgegner eines der von ihr im Zusammenhang mit der gemeinsam bis Juni 1999 geführten Abfallentsorgungsfirma P. ("G.") blanko unterschriebenen karierten leeren Blätter zur Erstellung der Quittung verwendet habe. Bereits im Jahr 2001 habe der Antragsgegner in Aussicht gestellt, keinen Unterhalt für die Tochter zahlen und ggf. zum Zwecke der Abwehr des Anspruchs eine "Quittung" vorlegen zu wollen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des LG eingegangene Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig (§ 11 Abs. 3 S. 1 AVAG), aber nicht begründet.
1. Auf den vorliegenden Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung ist das Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (BGBl. II 1986, 826 - Haager Unterhaltsübereinkommen) anzuwenden (vgl. Art. 71 EuGVVO; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 2). Dieses ist für die Bundesrepublik Deutschland am 26.7.1986, für die Republik Polen am 1.7.1996 (BGBl. II 1996, 1073) in Kraft getreten.
Das Abkommen geht vom Günstigkeitsprinzip (Art. 23) aus, schließt also die Anwendung anerkennungsfreundlicherer Regelungen, etwa aus der EuGVVO, nicht aus. Für das Haager Unterhaltsübereinkommen gilt darüber hinaus auch das AVAG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1c AVAG).
2.a) Es ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin erstinstanzlich, wie Art. 17 des Haager Unterhaltsübereinkommens dies erfordert, eine Ausfertigung der a...