Leitsatz (amtlich)
1. Eine nach § 81 Abs. 1 und 2 FamFG vom AG getroffene Ermessensentscheidung bezüglich der Verfahrenskosten (hier: im Anschluss an einen im Termin zur Beweisaufnahme über die Testierunfähigkeit nach Vernehmung von Zeugen geschlossenen Vergleich, worin sich die Beteiligte zu 2 dazu verpflichtet, einen Rechtsbehelf gegen den der Beteiligten zu 1 zu erteilenden Erbschein nicht einzulegen und diese im Gegenzug die Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 2 anerkennt) ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt in: FGPrax 2014, 44 m.w.N.) nur auf etwaige Ermessensfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs, eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung zu überprüfen; nur bei derartigen Ermessensfehlern ist das Beschwerdegericht berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen.
2. Für die Annahme, dass ein (Erbscheins-) Antrag von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Antragsteller dies erkennen musste sowie die hieran anknüpfende Kostenfolge des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG genügt es nicht, dass der Antrag zurückgewiesen wird oder dass sich - wie hier der Fall - dessen Aussichtslosigkeit, etwa während einer Beweisaufnahme, abzeichnet und deshalb ein Vergleich geschlossen wird.
3. In streitigen Nachlasssachen als Verfahren mit einem vermögensrechtlichen Schwerpunkt - im Unterschied zu Familiensachen - kommt dem Maß des Obsiegens und Unterliegens nach aufrecht zu erhaltender Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 28.01.2015 - I-3 Wx 217/14 und 04.04.2014 - I-3 Wx 115/13 bei juris, jeweils m. w. N) besondere Bedeutung zu (hier, mit der Folge, dass die Beteiligte zu 2 durch ihre Erklärung, gegen einen der Beteiligten zu 1 zu erteilenden Erbschein Rechtsmittel nicht einlegen zu wollen, ihren eigenen Antrag konkludent zurückgenommen, sich hierdurch in die Rolle der unterlegenden Partei begeben hat und sich daher im Beschwerdeverfahren über die - ihr nachteilige - Kostenentscheidung nicht mehr darauf berufen kann, der Erblasser sei tatsächlich doch testierunfähig gewesen).
4. Das im zivilprozessualen Berufungsverfahren (§ 528 Satz 2 ZPO) wurzelnde Verbot einer Schlechterstellung des Rechtsmittelführers im Rahmen des von ihm eingelegten Rechtsmittels ist auch im isolierten Kostenbeschwerdeverfahren zu beachten, was den Senat hier daran hindert, der Beteiligten zu 2 die Gerichtskosten - mit Ausnahme der Gerichtskosten für die Erteilung des Erbscheins - und die der Beteiligten zu 1 im erstinstanzlichen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Normenkette
FamFG §§ 80, 81 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 528 S. 2
Verfahrensgang
AG Viersen (Beschluss vom 02.04.2015; Aktenzeichen 8 VI 63/14) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2) hat die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: bis 5.000 EUR (§ 36 GNotKG)
Gründe
I. Die Beteiligte zu 2) ist die Tochter des Erblassers.
Zum Nachlass gehört unter anderem der hälftige Miteigentumsanteil des Erblassers an einem Zweifamilienhaus in Viersen. Der ursprünglich seiner vorverstorbenen Frau zustehende andere Miteigentumsanteil ging nach deren Tod auf die Beteiligte zu 2) über. Der Erblasser bewohnte bis zu seinem Tod das Untergeschoss, während die Beteiligte zu 2) zusammen mit ihrem Ehemann das Obergeschoss bewohnte. Der Erblasser und die Beteiligte zu 2) führten wegen des Nachlasses der verstorbenen Frau bzw. Mutter diverse Rechtsstreitigkeiten. Es kam auch außerhalb der Rechtsstreitigkeiten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Beteiligten zu 2) und dem Erblasser, der seine Tochter und seinen Schwiegersohn des Diebstahls verdächtigte. Dies führte zu (mindestens) zwei Polizeieinsätzen.
Nach einem Unfall bei Gartenarbeiten befand sich der Erblasser vom 10.04. - 18.04.2013 in stationärer Behandlung. Während des Krankenhausaufenthalts wurde die Betreuungsstelle der Stadt Viersen eingeschaltet. Schließlich erteilte der Erblasser seiner Nichte, der Beteiligten zu 1), am 14.05.2013 eine von der Vertreterin der Betreuungsstelle, C. W., vorbereitete Vollmacht.
Der Erblasser hinterließ zwei letztwillige Verfügungen.
In einem unter dem 05.10.2012 handschriftlichen Testament verfügte der Erblasser, dass er "die 1/2 Hälfte meines Hauses" der Beteiligten zu 1) vererbe.
Durch notarielles Testament vom 21.06.2013 - UrNr. 1213/2103, Notar Dr. S. O., Viersen - berief der Erblasserin die Beteiligte zu 1) zu seiner Erbin.
Am 20.02.2014 hat die Beteiligte zu 1) gestützt auf die (jüngste) letztwillige Verfügung des Erblassers einen Erbschein beantragt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.02.2014 hat die Beteiligte zu 2) ihrerseits einen Erbschein beantragt und geltend gemacht, ihr Vater habe mutmaßlich ein Testament zugunsten der Beteiligten zu 2) errichtet, das zum damaligen Zeitpunkt noch nicht eröffnet war, sei jedoch testierunfähig gewesen. Sie hat sich dabei u.a. auf das eingeleitete Betre...