Leitsatz (amtlich)

1. Auch wenn die Anfechtung eines Mietvertrages und dessen außerordentliche Kündigung einander nicht ausschließen, muss die Kündigungserklärung erkennen lassen, dass die Partei das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will.

2. Von Dritten durchgeführte Bauarbeiten, die den Zugang zu gemieteten Geschäftsräumen ohne Laufkundschaft beeinträchtigen, stellen einen zur fristlosen Kündigung berechtigenden Mangel nicht dar, wenn sie nur gelegentliche Behinderungen im Zugang und das Erfordernis erhöhter Flexibilität mit sich bringen, nicht aber zu einer länger andauernden oder vollständigen Sperrung des Zugangs führen.

 

Normenkette

BGB §§ 535, 543, 123, 143

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 3 O 215/10)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der für den 17.1.2012 geplante Senatstermin findet nicht statt.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die hiergegen von der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 26.7.2011 und im Schriftsatz vom 7.10.2011 vorgebrachten Gründe rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

I. Das LG ist in seinem angefochtenen Urteil zutreffend davon ausgegangen, dass weder eine zu einer Anfechtung des Mietvertrages berechtigende arglistige Täuschung der Klägerin noch der für sie handelnden P. GmbH (im Folgenden: P.) noch die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des gemäß dem Mietvertrag vom 2.3.2010 (im Folgenden: MV) bis zum 16.2.2011 befristeten Mietverhältnisses vorgelegen haben. Deshalb ist die Beklagte zutreffend im beantragten Umfang zur Zahlung des Mietzinses einschließlich der Nebenkostenvorauszahlungen von insgesamt EUR 12.645,26 nebst Zinsen sowie zur Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten über EUR 703,80 verurteilt worden (§ 535 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB).

Das Verteidigungsvorbringen der Beklagten ist ohne Erfolg. Weder liegt eine Anfechtungserklärung gem. § 123 BGB vor noch wäre ein Grund für eine Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung gegeben. Auch stand der Beklagten kein Sachverhalt zur Seite, der eine außerordentliche Kündigung des Mietvertrages gerechtfertigt hätte, im Übrigen fehlt eine Abmahnung, die erforderlich gewesen wäre.

1. Der Senat vermag schon keine Anfechtungserklärung der Beklagten erkennen. Das vom LG erwogene Schreiben der damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten der Beklagten vom 22.3.2010 enthält die Erklärung einer Anfechtung nicht. Dort wurde vielmehr nur die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages erklärt. Gemäß § 143 Abs. 1 BGB erfolgt die Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner. Zwar muss das Wort "anfechten" nicht ausdrücklich erwähnt werden. Die Erklärung muss jedoch erkennen lassen, dass die Partei das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will (BGHZ 88, 245; 91, 331; NJW-RR 1988, 566; 95, 859; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 143 Rz. 3). Dies kann den Angaben des Schreibens jedoch nicht entnommen werden, zumal ein Rechtsanwalt bereits aufgrund seiner Ausbildung wissen muss, dass sich an die Erklärung einer Anfechtung und die Erklärung einer Kündigung unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen. Auch wenn sich die Anfechtung und das Kündigungsrecht aus § 543 BGB nicht ausschließen (vgl. BGH NJW 1958, 177; NJW 2009, 1266; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 123 Rz. 29 m.w.N.), so muss gleichwohl der Erklärung entnommen werden, dass ein Willensmangel vorliegt und daraus Rechte hergeleitet werden. Zum Vorliegen eines solchen Willensmangels lassen sich in dem genannten Schreiben indes keinerlei Anhaltspunkte finden. Dies hätte jedoch bei anwaltlicher Vertretung erwartet werden müssen, wenn eine Anfechtung hätte erklärt werden sollen.

Zudem wäre die Anfechtung auch nicht begründet, weil eine arglistige Täuschung der Klägerin, die sich die Erklärungen der von ihr bevollmächtigten P. gem. § 123 Abs. 2 BGB zurechnen lassen müsste, weder dargelegt bzw. bewiesen noch ansonsten ersichtlich ist. Das LG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine allenfalls in Betracht kommende Täuschung durch Unterlassen bereits deshalb nicht vorliegen, weil zwischen den Parteien Einigkeit bestand, dass während der Mietdauer Bauarbeiten stattfinden werden. Dies war nach den Angaben der Zeugin A. von ihr nicht nur während der Vertragsverhandlungen thematisiert, sondern auch in § 15.1 Abs. 2 und 4 MV ausdrücklich niedergelegt worden. Soweit die Beklagte bei den Mietvertragsverhandlungen nicht selbst gehandelt hat, sondern sich durch ihren Sohn, den Zeugen K. bzw. auch durch den Zeugen T. vertreten ließ, ist auf deren Kenntnis abzustellen, welche sich die Beklagte gem. § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss.

Die Klägerin hatte gegenüber der Beklagten keine Aufklärungspflicht, d...

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