Leitsatz (amtlich)
1. Prüft ein gesetzlicher Erbe und Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsberechtigter nach dem Tode des im Grundbuch eingetragenen Erblassers seine erbrechtlichen Ansprüche (hier: Kind des Erblassers mit Blick auf seine vom Wert des Grundstücks abhängig zu machende Entscheidung, Pflichtteils- oder gar Erbansprüche zu verfolgen), so ergibt sich bereits aus der Darlegung seiner Rechtsposition sein berechtigtes Interesse wirtschaftlicher Art gegenüber dem Erben an der Grundbucheinsicht.
2. Dass sich der - testamentarische - Erbe gegen die Einsicht in das Grundbuch ausgesprochen hat, lässt die verfahrensrechtliche Befugnis des Grundbuchamts, bei Vorliegen der Voraussetzungen dem Gesuch zu entsprechen, unberührt.
Normenkette
GBO § 12 Abs. 1 S. 1, § 12c Abs. 4 S. 2; BGB § 1924 Abs. 1, § 2303 Abs. 1 S. 1, § 2311 Abs. 1 S. 1, § 2325 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Kleve (Aktenzeichen Grundbuch von Asperden) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, über den Antrag der Beteiligten zu 1 unter Berücksichtigung der Gründe des heutigen Beschlusses erneut zu entscheiden.
Geschäftswert: 5.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1 bat mit Anwaltsschreiben vom 16.10.2013 um Übersendung von Grundbuchauszügen.
Hierzu machte sie geltend, ihr Vater G. G., der mit der Beteiligten zu 2 verheiratet gewesen sei, sei am 21.3.2013 verstorben; sie als Pflichtteilsberechtigte benötige Einsicht in das Grundbuch, um zu überprüfen, ob ihr Vater Alleineigentümer oder Miteigentümer eines Hausgrundstücks gewesen sei.
Das Grundbuchamt erwiderte, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, weil ein rechtliches Interesse nicht bestehe.
Die Beteiligte zu 2 ließ mit Anwaltsschrift vom 19.11.2013 ausführen, es treffe zwar zu, dass die Beteiligte zu 1 pflichtteilsberechtigt sei; die Eigentumsverhältnisse an dem Immobilienbesitz, soweit er in den Nachlass des G. G. gefallen ist, seien allerdings bereits mitgeteilt worden.
Die Beteiligte zu 1 entgegnete, die Beteiligte zu 2 habe die erforderliche Auskunft, die durch Grundbuchauszüge belegt werden könne, nicht vorgelegt.
Das Grundbuchamt - Rechtspfleger - hat den Antrag auf Gewährung von Einsicht in die Grundbücher des Nachlasses von G. G. am 13.12.2013 abgelehnt und ausgeführt, es bestünden Zweifel, ob einer vermeintlich pflichtteilsberechtigten Person Grundbucheinsicht gewährt werden könne. Es komme auf eine Interessenabwägung an. Kernbegriff sei das "berechtigte Interesse" der Einsicht begehrenden Person. Zum Zwecke der Ausdeutung dieses Kernbegriffes sei der Beteiligten zu 2 rechtliches Gehör gewährt worden; sie habe widersprochen; zur Gewährung von Grundbucheinsicht gegen ihren Willen sei das Gericht als Grundbuchamt verfahrensrechtlich nicht befugt.
Hiergegen hat sich die Beteiligte zu 2 unter dem 30.12.2013 mit der Beschwerde gewandt.
Das AG - Rechtspfleger - hat mit Beschluss vom 06./7.1.2014 unter Bekräftigung seiner Auffassung der Beschwerde der Beteiligten zu 1 nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte Bezug genommen.
II.1. Die gem. §§ 12c Abs. 4 Satz 2, 71 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches ist nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann (OLG Düsseldorf, ZEV 2011, 44 und I-3 Wx 45/10; KG, NJW-RR 2004, 943 f.; OLG München FamRZ 2013, 1070; Demharter, GBO, 28. Aufl., § 12 Rz. 7 ff.;). § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Dabei genügt zwar nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers. Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (OLG München, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.11.2012 - I-3 Wx 158/12; KG NJW 2002, 223 ff.; KG NJW-RR 2004, 1316 ff.). In Zweifelsfällen ist auch zu berücksichtigen, dass der in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffene grundsätzlich vor der Gewährung der Einsicht nicht gehört wird (BVerfG NJW 2001, 503 ff.) und ihm gegen die Gewährung auch kein Beschwerderecht zusteht (BGHZ 80, 126 ff.).
b) Ein berechtigtes Interesse wirtschaftlicher Art an der Grundbucheinsicht steht in der Regel dem Pflichtteilsberechtigten zu, der nach dem Tode des im Grundbuch eingetragenen Erblassers (OLG München, NJOZ 2013, 2081; Wilsch in BeckOK/GBO Stand: 1.6.2013 § 12 Rz. 60 mit Nachweisen; Griwotz, MDR 2013, 433, 434 f.) seine erbrechtlichen Ans...