Leitsatz (amtlich)

Für Rechtsstreitigkeiten wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten aus Wohnraum-Mietverhältnissen ist ausschließlich das AG zuständig, in dessen Bezirk der Wohnraum belegen ist.

 

Normenkette

ZPO § 29; GVG § 23 Nr. 2a; BGB §§ 535, 823

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Beschluss vom 25.01.2005; Aktenzeichen 11 O 101/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Duisburg - Einzelrichter - vom 25.1.2005 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil es verfristet eingelegt worden ist. Der Antragstellerin ist der angefochtene Beschluss zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten am 4.2.2005 zugestellt worden. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist bei Gericht am 7.3.2005 (Montag) eingegangen. Gemäß § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO hätte es binnen eines Monats bei Gericht eingehen müssen, also bis zum Ablauf des 4.3.2005 (Freitag).

II. Allerdings kann ein Prozesskostenhilfeantrag, weil seine Ablehnung nicht in materielle Rechtskraft erwächst, aufs Neue gestellt werden. Ob das LG die verspätete Beschwerde als Neuantrag hätte behandeln müssen statt über die Nichtabhilfe zu entscheiden, kann offen bleiben. Das LG war und ist zur Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch nicht zuständig. Denn für die ausdrücklich auf die "Verletzung von Verkehrssicherungspflichten aus dem [Wohnraum]Mietverhältnis" (GA 5) gestützte Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes (§§ 535, 280 Abs. 1, 276, 278, 253 Abs. 2 BGB) ist gem. § 29a ZPO, § 23 Nr. 2a GVG ausschließlich das AG zuständig, in dessen Bezirk sich der Wohnraum befindet.

1. Zwar scheint nach dem Wortlaut des § 29a ZPO und des § 23 Nr. 2a GVG ein solcher Schadensersatzanspruch von den Vorschriften nicht erfasst zu sein. Der Schutzzweck der Normen gebietet jedoch eine extensive Auslegung über seinen Wortlaut hinaus (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 29a Rz. 14). § 29a ZPO entspricht dem Schutzgedanken des sozialen Mietrechts, das Verfahren möglichst am Wohnort des Mieters zu führen, durch einen zweistufigen Prozess eine kürzere Verfahrensdauer zu bewirken sowie eine größere Sach- und Ortsnähe des zuständigen Gerichts herzustellen (BGH v. 11.1.1984 - VIII ARZ 6/83, BGHZ 89, 275 [282 f.] = MDR 1984, 573 = NJW 1984, 1615, für Bereicherungsansprüche). Über ihren zu eng gefassten Wortlaut hinaus ist diese Vorschrift daher in allen Fällen anzuwenden, in denen es im Kern um eine typische Mietstreitigkeit geht, wobei es unerheblich ist, in welcher rechtlichen Gestalt sie erscheint (BGH v. 11.1.1984 - VIII ARZ 6/83, BGHZ 89, 275 [283] = MDR 1984, 573 = NJW 1984, 1615). Erfasst sind alle Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume oder über das Bestehen solcher Verhältnisse, also Rechtsstreitigkeiten, an denen die Prozessbeteiligten als Parteien des Vertrages, seiner Anbahnung oder Abwicklung beteiligt sind (BGH v. 16.12.2003 - X ARZ 270/03, BGHReport 2004, 621 = MDR 2004, 769 = NJW 2004, 1239, sub Nr. III. 2a). Geht es wie hier um die (Verkehrs)Sicherungspflichten, die den Beklagten als Vermieter ggü. der Klägerin als Mieterin treffen, gilt nichts Anderes.

2. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob, wie das OLG Koblenz (OLG Koblenz v. 12.10.1996 - 5 U 324/95, ZMR 1997, 77) in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung geurteilt hat, das LG dann (auch) für die Prüfung und Entscheidung mietrechtlich begründeter Ansprüche zuständig ist, wenn der Schadensersatzanspruch (auch) auf die den Hauseigentümer treffende Verkehrssicherungspflicht gestützt wird (a.A. wohl LG Berlin WuM 2000, 332). Im Streitfall beruft sich die Klägerin nur auf ihre Mieterrechte. Eine solche rechtliche Beschränkung ist seit der Einführung des Schmerzensgeldanspruchs auch bei Verletzung vertraglicher Pflichten (seit In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002) möglich, während nach früherer Rechtslage ein Schmerzensgeld nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden konnte, wenn der Anspruch (auch) auf die Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1, 847 BGB) gestützt werden konnte.

III. Zur inhaltlichen Ausgestaltung der vertraglichen Verkehrssicherungspflicht, deren Umfang jedenfalls nicht geringer als der der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ist (OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2001, 263 = ZMR 2001, 106 =) und zur Frage des Mitverschuldenseinwands verweist der Senat im Übrigen vorsorglich auf die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtssprechung (BGH VersR 1977, 431; v. 20.11.1984 - VI ZR 169/83, MDR 1985, 481 = NJW 1985, 482; v. 6.5.1997 - VI ZR 90/96, NJW-RR 1997, 1109 [1110]; OLG Hamm v. 15.1.2004 - 6 W 69/03, OLGReport Hamm 2004, 157 = ZMR 2004, 511).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1460711

ZMR 2006, 274

MDR 2006, 327

WuM 2006, 46

OLGR-Mitte 2006, 130

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