Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Das Oberlandesgericht Düsseldorf legt dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
1. Liegt eine schutzausschließende technische Bedingtheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12.12.2001 über die Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Abl. L 003/2003 S. 1) auch dann vor, wenn die gestalterische Wirkung keinerlei Bedeutung für das Produktdesign hat, sondern die (technische) Funktionalität der einzige, das Design bestimmende Faktor ist?
2. Sollte der Gerichtshof die Frage zu Nummer 1) bejahen:
Von welchem Standpunkt aus ist zu beurteilen, ob die einzelnen Gestaltungsmerkmale eines Produkts allein aus Erwägungen der Funktionalität gewählt worden sind. Ist ein "objektiver Beobachter" maßgeblich und wenn ja, wie ist dieser zu definieren?
Gründe
A.1 Dem Oberlandesgericht liegt die Berufung einer nach deutschem Recht eingetragenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor, die eine andere nach deutschem Recht eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor den deutschen Gerichten wegen Gemeinschaftsgeschmacksmusterverletzung auf Unterlassen, Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch nimmt und die Feststellung begehrt, dass die in Anspruch genommene Gesellschaft ihr durch die beanstandeten Handlungen zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die Beklagte erhebt Widerklage, die unter anderem auf Erklärung der Nichtigkeit der Klageschutzrechte.
Das Berufungsgericht hält für sein Urteil eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Auslegung des Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12.12.2001 über die Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Abl. L 003/2003 S. 1, im folgenden "GGV" genannt) für erforderlich.
I. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2 Der Klägerin ist Herstellerin ingenieurkeramischer Bauteile aus Oxid- und Nitridkeramik. Sie beliefert Kunden der Automobil-, Textilmaschinen- und Maschinenindustrie sowie des Anlagenbaus insbesondere mit Schweißzentrier-, Positionier- und Passstiften für Schweißvorgänge. Sie ist Inhaberin der Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 0...-0001 bis 0017 (im folgenden "Klagegeschmacksmuster 0001 - 0017" genannt), die Zentrierstifte in drei unterschiedlichen Geometrien (mit langem Kegel, mit langem Kegel und Bund bzw. mit Kegelstumpf) mit jeweils sechs verschiedenen Typen (jeweils ausgehend vom Durchmesser des metrischen Gewindes der Sechskant-Schweißmutter) schützen.
3 Die Beklagte stellt ebenfalls eine Vielzahl von Produkten aus technischer Keramik hier und zeigt in ihrem, auf ihrer Internetseite herunterladbaren Prospekt die streitgegenständlichen, beim Buckelschweißen zu verwendenden Schweißzentrierstifte unter Angabe von Artikelnummern und zwar ebenfalls jeweils ein Modell mit langem Kegel, eines mit langem Kegel und Bund und eines mit Kegelstumpf in jeweils sechs verschiedenen Typen. Einen der dort gezeigten Zentrierstifte lieferte sie anlässlich eines von der Klägerin initiierten Testkaufs an eine dritte Person aus.
4 Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihrer Schutzrechte, die sie für rechtsbeständig hält. Die Beklagte erhebt Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit der Klagegeschmacksmuster (Art. 84 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1 lit. b), Art. 8 Abs. 1 GGV), weil ihrer Ansicht nach die offenbarten Erscheinungsmerkmale der Erzeugnisse ausschließlich durch deren technische Funktion bedingt seien.
II. 5 Das LG hat die Klagegeschmacksmuster für nichtig erklärt und die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klagegeschmacksmuster seien gemäß Art. 8 Abs. 1 GGV vom Geschmacksmusterschutz ausgeschlossen. Nach der genannten Norm bestehe ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt seien. An dieser Voraussetzung fehle es, wenn eine gangbare Designalternative zu Merkmalen existiere, mit welcher das Erzeugnis seine technische Funktion in zumindest gleicher Weise erfülle. Ob dies vorliegend der Fall sei, könne dahinstehen, da eine schutzausschließende technische Bedingtheit auch dann vorliege, wenn die (technische) Funktionalität der einzige das Design beststimmende Faktor sei. Die Kammer folge insoweit der Rechtsprechung der 3. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM) in seiner Entscheidung "Häcksler" vom 22.10.2009 (R 690/2007-3). Dessen Erwägung, dass dann, wenn die gestalterische Wirkung keinerlei Bedeutung für das Produktdesign habe, sondern dieses allein auf Erwägungen der Funktionalität beruhe, kein Anlass für die Gewährung von Geschmacksmusterschutz bestehe, sei überzeugend. Die Frage, ob die einzelnen Gestaltungsmerkmale allein aus Erwägungen der Funktionalität gewählt worden seien, sei objektiv zu betrachten, so dass es nicht auf den Willen des Entwerfers ankomme. Allerdings könne der Wille des Entwerfers als Indiz dafür herangezogen werden, ob ein objektiver Beobachter bei vernünftiger Betrachtungsweise z...