Leitsatz (amtlich)
1. Verfügt ein Ehegatte über ausländische Anwartschaften, die mindestens so hoch sind, wie die inländischen Anrechte des anderen Ehegatten, kann der Ausgleich dieser inländischen Anrechte für den anderen Ehegatten unbillig sein, auch wenn der über die ausländischen Anwartschaften verfügende Ehegatte bei weitem höhere ausgleichsreife Anrechte erworben hat als der andere Ehegatte.
2. Zur Bemessung des Ausgleichs in einem derartigen Fall.
Verfahrensgang
AG Oberhausen (Aktenzeichen 45 F 1060/14) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Oberhausen vom 17.01.2017 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - im Ausspruch zum Versorgungsausgleich - Ziffer 3 Absatz 2 -teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der A Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 9.921,59 EUR, bezogen auf den 30.09.2014, übertragen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 3/4 und die Antragsgegnerin zu 1/4.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren sowie das erstinstanzliche Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich (§ 55 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FamGKG) wird auf 1.924 EUR (4 × 481 EUR) festgesetzt.
4. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B in Stadt 1 bewilligt.
5. Dem Antragsteller wird -unter Zurückweisung des weitergehenden Antrages- für das Beschwerdeverfahren bis zu einem Verfahrenswert von 962 EUR Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C in Stadt 2 bewilligt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin, beide italienische Staatsangehörige, haben am 10.03.1970 die Ehe miteinander geschlossen. Sie leben seit dem Jahr 2003 voneinander getrennt und sind auf den von dem Antragsteller gestellten Scheidungsantrag - zugestellt im Oktober 2014 - durch den Verbundbeschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 17.01.2017 geschieden worden.
Während der Ehezeit haben beide früheren Ehegatten sowohl im In- wie auch im Ausland Versorgungsanrechte erworben. Der Antragsteller hat in der Deutschen Rentenversicherung insgesamt 14,9852 Entgeltpunkte nebst 0,2385 Entgeltpunkten in der knappschaftlichen Rentenversicherung erworben sowie darüber hinaus in der italienischen Rentenversicherung eine Gesamtrente von monatlich 415,69 EUR nebst zusätzlicher 13. Rentenzahlung pro Jahr in Höhe von 173,21 EUR. Die Antragsgegnerin hat ihrerseits in der Deutschen Rentenversicherung insgesamt 9,9557 Entgeltpunkte sowie Anrechte aus einer privaten Lebensversicherung bei der weiter Beteiligten zu 3. mit einem Ehezeitanteil von 20.248,16 EUR erworben sowie darüber hinaus in der italienischen Rentenversicherung eine Gesamtrente von monatlich 53,95 EUR nebst zusätzlicher 13. Rentenzahlung pro Jahr in Höhe von 49,46 EUR.
Das Amtsgericht hat lediglich die von dem Antragsteller in der Ehezeit erworbenen inländischen Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung geteilt und sowohl die (niedrigeren) inländischen Anrechte der Antragsgegnerin als auch die beiderseitigen italienischen Versorgungsanrechte unter Hinweis auf § 19 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VersAusglG dem Wertausgleich nach der Scheidung vorbehalten.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Ausschluss des Ausgleichs der inländischen Anrechte der Antragsgegnerin. Zudem hält er eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf den Zeitpunkt der Trennung im Jahr 2003 wegen der seit diesem Zeitpunkt eingetretenen wirtschaftlichen Entflechtung der beteiligten Eheleute für erforderlich.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
1. Das Amtsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass wegen der gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG nicht ausgleichsreifen ausländischen Anrechte der beteiligten Eheleute ein vollständiger Ausgleich der während der Ehezeit erworbenen inländischen Anrechte der Antragsgegnerin im Sinne des § 19 Abs. 3 VersAusglG unbillig wäre.
Hat ein Ehegatte ausländische Anwartschaften erworben, findet gemäß § 19 Abs. 3 VersAusglG auch in Bezug auf die übrigen Anrechte kein Wertausgleich statt, wenn und soweit dies für den anderen Ehegatten unbillig wäre. Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass der Ehegatte, der ausländische Anrechte erworben hat, diese bei der Scheidung ungeschmälert behält, während der andere Ehegatte seine inländischen Anrechte zugleich zur Hälfte verliert. Ein solcher Ausgleich wäre unausgewogen, sofern sich die Ausgleichswerte der in- und ausländischen Anrechte in etwa entsprechen oder das ausländische Anrecht sogar wesentlich höher ist (vgl. OLG Celle NJW - RR 2011, 1571 ff.).
Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass die Unbilligkeit zu verneinen ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - der über ausländische Anwartschaften verfügende Ehegatte daneben ausgleichsreife inländ...