Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Wege der Prozesskostenhilfe nach Anwaltswechsel ein neuer Anwalt mit der Einschränkung "soweit durch den Anwaltswechsel der Staatskasse keine Nachteile entstehen" beigeordnet, so ist diese Einschränkung für das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG grundsätzlich bindend.
2. Die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO steht einer Festsetzung der nicht nach § 55 RVG aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gegen die Partei nach § 11 RVG grundsätzlich nicht entgegen.
Normenkette
RVG §§ 11, 55; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Grevenbroich (Beschluss vom 15.06.2007; Aktenzeichen 21 F 52/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des FamG Grevenbroich - Rechtspflegerin - vom 15.6.2007 aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das FamG zurückverwiesen.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
I. Der Antragsgegnerin wurde im Rahmen des gegen sie gerichteten Scheidungsverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S. beigeordnet. Die bewilligte Prozesskostenhilfe wurde durch Beschluss vom 25.4.2006 (Bl. 23 PKH-Heft) auf die Folgesache Zugewinn erstreckt. Zugleich wurde Rechtsanwalt S. antragsgemäß entpflichtet und die Antragsstellerin "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts.., soweit durch den Anwaltswechsel der Staatskasse keine Nachteile entstehen" beigeordnet.
Die Antragsstellerin beantragte zunächst die Festsetzung der Gebühren aus der Staatskasse gem. § 55 RVG; diese wurde abgelehnt unter Hinweis auf die erfolgte Festsetzung zugunsten von Rechtsanwalt S. Daraufhin hat die Antragstellerin die Festsetzung ihrer Vergütung gegen die Antragsgegnerin gem. § 11 RVG beantragt. Den entsprechenden Antrag vom 7.12.2006 (Bl. 77 f. GA) hat die Rechtspflegerin des FamG Grevenbroich unter Bezugnahme auf § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO durch Beschluss vom 15.6.2007 (Bl. 87 GA) abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem als "Erinnerung" bezeichneten Schriftsatz vom 26.6.2007 (Bl. 90 f. GA).
II. Die "Erinnerung" der Antragstellerin vom 26.6.2007 gegen den Beschluss des FamG Grevenbroich - Rechtspflegerin - vom 15.6.2007 ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG, § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO als sofortige Beschwerde auszulegen und als solche zulässig. Sie ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens an das FamG zur weiteren Prüfung der Festsetzung. Die von der Antragstellerin begehrte Festsetzung nach § 11 RVG kann nicht unter Hinweis auf die mit Beschluss des AG Grevenbroich vom 25.4.2006 erfolgte Beiordnung der Antragstellerin und § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO abgelehnt werden. Die Beiordnung war ausdrücklich beschränkt, was sich entsprechend auf die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auswirkt.
Nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass der beigeordnete Rechtsanwalt Vergütungsansprüche gegen die Partei nicht geltend machen kann. Die Sperrwirkung besteht aber nur im Umfang der Bewilligung bzw. der Beiordnung (vgl. OLG Nürnberg JurBüro 2001, 481). Nur in diesem Umfang hat der Anwalt gem. §§ 48, 55 RVG einen Anspruch auf Festsetzung seiner Vergütung gegen die Staatskasse. Im Übrigen steht einer Festsetzung nach § 11 RVG die Sperrwirkung nicht entgegen.
Bewilligung und Beiordnung müssen nicht inhaltlich übereinstimmen; maßgeblich ist in erster Linie der Umfang der Beiordnung (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., RVG, § 48 Rz. 5 f.). Die hier fragliche Einschränkung "soweit durch den Anwaltswechsel der Staatskasse keine Nachteile entstehen" bezieht sich nicht auf den Bewilligungsumfang, sondern auf den Umfang der Beiordnung; dieser wird zwar nicht gegenständlich beschränkt wie etwa bei § 121 Abs. 4 ZPO, sondern allein in gebührenrechtlicher Hinsicht. Die fragliche Einschränkung ist dahingehend auszulegen, dass der neu beigeordnete Anwalt nur insoweit einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse haben soll, als diese durch den Anwaltswechsel nicht mit doppelten Gebühren/Auslagen belastet wird.
Ob diese Einschränkung zu Recht erfolgt ist, ist im Verfahren nach § 11 RVG bei der Prüfung des Umfangs der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ebenso wenig zu überprüfen wie im Verfahren nach § 55 RVG. Ein Anspruch nach § 11 RVG besteht nur, soweit keine Möglichkeit der Festsetzung nach § 55 RVG besteht. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren ist der Beiordnungs- und Bewilligungsbeschluss als Kostengrundentscheidung bindend und einer materiell-rechtlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen (vgl. OLG Celle MDR 2007, 865; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 121 Rz. 42). Bei dem Verfahren nach § 55 RVG handelt es sich um ein justizförmiges Verwaltungsverfahren, bei dem der Urkundsbeamte nicht prüft, ob Prozesskostenhilfe und Beiordnung hätten versagt werden müssen (vgl. Hartmann, § 55 Rz. 1). Dies aber würde geschehen, wenn der Festsetzungsbeamte überprüfe...