Leitsatz (amtlich)

1. Zur Sicherstellung der Verwirklichung des Kinderrechts auf unverzügliche Eintragung nach der Geburt in ein Geburtenregister (Art. 7 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention vom 20. Nov. 1989 - BGBl. 1992 II S. 121) nach Maßgabe des deutschen Personenstandsrechts, namentlich die nur für einen angemessenen, hier jedenfalls deutlich überschrittenen Zeitraum zulässige und somit - ggf. mit einschränkendem Vermerk - nachzuholende Zurückstellung der Beurkundung (hier: wegen Fehlens insbesondere des afghanischen Reisepasses der Mutter)

2. Zur Auslegung des Gesuchs um Anweisung des Standesamtes, eine Geburtsurkunde, hilfsweise einen Ausdruck aus dem Geburtenregister, auszustellen im Sinne eines Antrags, die Geburt des Kindes zu beurkunden

 

Normenkette

FamFG § 38 Abs. 3; PStG § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1, 3, § 18 Abs. 1, § 19 S. 1, § 21 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 4, §§ 59, 62 Abs. 1; PStV §§ 5, 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 35; UNKRÜbk Art. 7 Abs. 1 Fassung: 1989-11-20, Abs. 2 Fassung: 1989-11-20

 

Verfahrensgang

AG Duisburg (Entscheidung vom 25.01.2019; Aktenzeichen 94 III 23/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 13. Febr. 2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts vom 25. Jan. 2019 geändert.

Das Standesamt wird angewiesen, die Geburt des Beteiligten zu 1 unter Berücksichtigung der Ausführungen dieses Senatsbeschlusses zu beurkunden.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 2 und 3 - afghanische Staatsangehörige - sind die geschiedenen Eltern des Beteiligten zu 1.

Sie sind asylberechtigt, seit Ende 2017 anerkannte Flüchtlinge und Inhaber von Reiseausweisen der Bundesrepublik Deutschland mit dem amtlichen Eintrag: "Die Personendaten beruhen auf den eigenen Angaben ...(der Antragstellerin / des Antragstellers)".

Am 1. Juni 2018 zeigte die Beteiligte zu 2 dem beteiligten Standesamt die Geburt des Beteiligten zu 1 an. Das Standesamt stellte mit Verfügung vom 4. Juni 2018 die Beurkundung der Geburt mit dem Vermerk "fehlende Unterlagen" zurück.

Die Beteiligten zu 2 und 3 wandten sich danach wiederholt wegen der Beurkundung der Geburt an das Standesamt. Bei einer dieser Gelegenheiten legte der Beteiligte zu 3 die Reiseausweise vor und sagte, er sei mit der Beteiligten zu 2 wieder zusammen. Er erhielt vom Standesbeamten den Hinweis, er solle zusammen mit der Beteiligten zu 2 mit den Reiseausweisen und dem Scheidungsurteil das afghanische Konsulat aufsuchen und sich Unterlagen ausstellen lassen. Da die Beteiligte zu 2 laut Auskunft des Einwohnermeldeamtes geschieden sei, sei der Familienstand nicht geklärt. Ohne Nachweise würde die Geburt nur mit der Mutter und dem Vermerk "Identität nicht nachgewiesen" beurkundet.

In einem Schreiben mit Datum vom 3. Jan. 2018 (!) - offensichtlich die Beurkundung einer anderen Geburt betreffend - forderte das Standesamt die Beteiligten zu 2 und 3 auf:

"Bitte lassen Sie sich beim Konsulat in Bonn afghanische Heiratsurkunde ausstellen bzw Ihre Eheschließung Registrieren.

Ebenfalls wird ein Dokument über Ihre Scheidung benötigt.

Sollte Ihnen das Konsulat keine Urkunde ausstellen lassen, so lassen Sie sich bitte eine Bescheinigung ausstellen dass Sie dort vorgesprochen haben.

Beantragen Sie bitte neue Reisepässe für sich beide.

...

Andernfalls kann die Geburt Ihres Kindes nur mit dem Familiennamen der Mutter und ohne Vater beurkundet werden."

Daraufhin sprach die Beteiligte zu 2 erneut beim Standesamt vor. Der interne Vermerk des Standesamtes vom 17. Juli 2018 dazu lautet:

"Vorsprache Mutter: war noch immer nicht in Bonn. Habe gesagt, dass ich es nun zum letzten Mal sage, dass sie zur Botschaft MUSS! Erst dann geht es hier weiter."

Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 übersandte die Beteiligte zu 2 daher eine Kopie ihrer Aufenthaltserlaubnis und beantragte die Ausstellung einer Geburtsurkunde, hilfsweise die Ausstellung eines Ausdrucks aus dem Geburtenregister nach §§ 35 Abs. 1, 7 Abs. 2 PStV. Sie könne leider das afghanische Konsulat nicht aufsuchen, um einen neuen Pass oder andere Urkunden zu beantragen, weil sonst nach § 72 Abs. 1 AsylG ihr Aufenthalt als anerkannter Flüchtling erlösche. Eine Beurkundung mit ihrem Familiennamen ohne den Vater komme für sie auch in Betracht.

Im internen Vermerk vom 8. Aug. 2018 über einen weiteren Besuch der Beteiligten zu 2 beim Standesamt heißt es, die Mutter sei vor 2 Wochen bei der Botschaft gewesen "und hat Tazkira beantragt".

Am gleichen Tage stellte das Standesamt vorläufige Bescheinigungen aus zur Beantragung von Elterngeld (8. Aug. 2018), von Kindergeld (8. Aug. 2018) und von Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft bei der Krankenkasse (nicht bei den Akten, stattdessen befindet sich eine solche Bescheinigung bei den Akten, die offensichtlich einen wieder anderen Vorgang des Standesamts betrifft). Die Beurkundung der Geburt stellte da Standesamt weiter zurück. Dazu heißt es in den vorläufigen Bescheinigungen "afghanischer Pass Mutter, Tazkira Mutter mit Übersetzung, Heiratsurkunde mit Übersetzung der geschiedenen Ehe der Mutter fehlen".

Am 12. Sept. 2018 legte die Beteiligt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge