Leitsatz (amtlich)
Bei einem rein "formalen" Gläubigerwechsel bleibt der innere Zusammenhang zwischen dem außergerichtlich vom Zedenten und dem gerichtlich verfolgten Begehren des Zessionars bestehen. Das Begehren ist wirtschaftlich identisch und rechtfertigt die Annahme "desselben Gegenstandes" im Sinne der Anrechnungsnorm der RVG VV-Vorbem. 3 Abs. 4.
Normenkette
RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mönchengladbach - Rechtspflegerin - vom 19.1.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Gründe
I. Die Klägerin klagte aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes (Zedent) Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung im Hinblick auf einen Medienfonds gegen die Beklagte ein. Mit insoweit infolge Zurückweisung der Berufung rechtskräftigem Urteil hat das LG Mönchengladbach die Beklagte u.a. verurteilt, an die Klägerin EUR 1.918,04 zu zahlen. Zur Begründung hatte es insoweit ausgeführt, die Klägerin könne als Schadensersatz auch die dem Zedenten vorprozessual entstandenen Anwaltskosten in Höhe einer 2,1fachen Geschäftsgebühr verlangen.
Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hat die Klägerin für die erste Instanz u.a. außergerichtliche Kosten in Höhe einer 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. on EUR 1079 zzgl. Mehrwertsteuer zur Festsetzung angemeldet. Die Rechtspflegerin hat im Zuge der Berechnung des auszugleichenden Betrages im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.1.2011 eine 0,65 Geschäftsgebühr i.H.v. on EUR 379 zzgl. Mehrwertsteuer angerechnet.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde rügt die Klägerin die vorgenommene Anrechnung. Sie macht geltend, die Anrechnung habe nicht erfolgen dürfen. Die Klageforderung sei zunächst von ihrem Ehemann vorgerichtlich verfolgt worden und sodann an sie abgetreten worden, so dass die vorprozessuale und prozessuale Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten nicht "denselben Gegenstand" im Sinne der Anrechnungsvorschrift der RVG VV-Vorbem. 3 Abs. 4 betroffen habe. Überdies könne sich die Beklagte nicht - wie geschehen - auf eine Anrechnung berufen, weil der anzurechnende Betrag der Geschäftsgebühr im landgerichtlichen Urteil nicht exakt genug beziffert sei, mithin die Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG nicht vorlägen.
II. Die am 4.2.2011 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin (Bl. 846 ff. GA) gegen den ihr am 1.2.2011 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mönchengladbach - Rechtspflegerin - vom 19.1.2011 (Bl. 840 ff., 845 GA) ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, jedoch nicht begründet.
Der kostenpflichtige Prozessgegner hat die zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu erstatten, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Hierzu gehören auch die der Klägerin entstandenen Rechtsanwaltskosten. Die insoweit hier fragliche Verfahrensgebühr wäre nur dann - wie die Klägerin meint - in voller Höhe zu erstatten, wenn eine Anrechnung nach RVG VV-Vorbem. 3 Abs. 4 nicht zu erfolgen hätte oder die Voraussetzungen, unter denen sich der kostenpflichtige Prozessgegner auf die Anrechnung berufen kann, § 15a Abs. 2 RVG, nicht vorlägen. Beides kann jedoch nicht festgestellt werden.
1. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles hat eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nach RVG VV-Vorbem. 3 Abs. 4 zu erfolgen. Beide Gebühren sind wegen "desselben Gegenstandes" entstanden.
Der Begriff "desselben Gegenstandes" ist im Verhältnis des Anwalts zu seinem Mandanten zu definieren. Es soll verhindert werden, dass die gleiche Tätigkeit zweimal honoriert wird, wenn die Angelegenheit zunächst als außergerichtliche und erst später als gerichtliche betrieben wird, während sie nur einmal honoriert worden wäre, wenn die Angelegenheit sofort vor das Gericht gebracht worden wäre. Es müssen ein innerer und äußerer Zusammenhang sowie ein zeitlicher Zusammenhang bestehen. Der - hier einzig fragliche - innere Zusammenhang liegt vor, wenn das gleiche Begehren, das zunächst außergerichtlich geltend gemacht worden ist, nunmehr gerichtlich geltend gemacht wird (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., VV 2300 Rz. 40). Abzustellen ist insoweit auf die wirtschaftliche Identität (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 19. Aufl., VV 1008 Rz. 136). Eine solche ist hier anzunehmen.
Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf Grund des Auftrags bezieht (vgl. Gerold/Schmidt-Mayer, § 15 Rz. 6; § 2 Rz. 3f). Hier ging es sowohl vorprozessual als auch prozessual letztlich um Schadensersatzansprüche des Zedenten wegen fehlerhafter Anlageberatung im Hinblick auf einen Medienfonds gegen die Beklagte. Vorprozessual wurden sie vom Zedenten aus eigenem Recht geltend gemacht, prozessual von der Klägerin aus abgetretenem Recht. Beide Aufträ...