Leitsatz (amtlich)

Über die Zulässigkeit einer Aufrechnung von Steuerguthaben und -verbindlichkeiten im Insolvenzverfahren nach §§ 94 ff. InsO haben die Finanzgerichte zu entscheiden. Dies muss erst Recht gelten, wenn kein Fall der Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB vorliegt, sondern ein Fall der Steuerberechnung nach §§ 16 ff. UStG. In deren Rahmen werden Steueransprüche, Vorsteuerbeträge und Berichtigungen als unselbstständige Besteuerungsgrundlagen innerhalb einer Steuerberechnung miteinander saldiert, wobei nur mit oder gegen den Anspruch aufgerechnet werden kann, der sich aus der Steuerberechnung für einen derartigen Zeitraum ergibt.

 

Normenkette

FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1; UStG §§ 16-18

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Beschluss vom 20.12.2017; Aktenzeichen 13 O 450/16)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 03.01.2018 gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 20.12.2017 (13 O 450/16) in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 05.01.2018 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger wurde aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.09.2016 (Az. 502 IN 56/16, Anlage K 1), mit dem aufgrund eines am 22.03.2016 eingegangenen Eigenantrags das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH & Co. KG in R. (im Folgenden: Schuldnerin) eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet wurde, zum Sachwalter bestellt. In dieser Eigenschaft begehrt er vom beklagten Land die Rückerstattung einer - nach seiner Auffassung - in anfechtbarer Weise durch das Finanzamt M. mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für August 2016 vom 19.09.2016 (Anlage K 2) vorgenommenen Verrechnung mit einer festgesetzten, am 10.02.2016 von der Schuldnerin geleisteten Sondervorauszahlung i.H. von 43.823,07 Euro sowie die Auszahlung des verbleibenden Überschusses i.H. von 20.830,93 Euro gemäß § 812 BGB i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO. Die Rückerstattung des verrechneten Betrages hat er zunächst auf Insolvenzanfechtung gemäß § 143 i.V.m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO gestützt. In der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2017 hat der Kläger auf entsprechenden Hinweis des Landgerichts mitgeteilt, dass er seine Klage nunmehr insgesamt auf einen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB stütze.

Das beklagte Land hat die Unzuständigkeit des Landgerichts wegen Unzulässigkeit des Zivilrechtswegs gerügt und die Ansicht vertreten, dass für den Rechtsstreit die Finanzgerichtsbarkeit zuständig sei. Die Frage, ob nach Widerruf der Dauerfristverlängerung ein Erstattungsanspruch bzgl. der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung entstehe bzw. die Verrechnung mit Umsatzsteuerschulden, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind, der Insolvenzanfechtung unterliege, sei nicht zivilrechtlicher Natur, sondern vor dem Finanzgericht auszutragen.

Das Landgericht - Zivilkammer - hat mit Beschluss vom 20.12.2017 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) und den Rechtsstreit von Amts wegen an das Finanzgericht Düsseldorf verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine Abgabenangelegenheit i.S. des § 33 Abs.1 Nr. 1 FGO. Die Aufrechnung des Finanzamts M., in die die Verrechnung durch Bescheid vom 19.09.2016 umzudeuten sei, sei keine Rechtshandlung der Schuldnerin, die Gegenstand eines Rückgewähranspruchs nach Insolvenzanfechtung gemäß § 143 InsO sein könne, für den der Zivilrechtsweg gegeben sei. Der Rechtsweg für eine Zahlungsklage des Insolvenzverwalters, der die Unwirksamkeit einer Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO geltend mache, richte sich nach der Rechtsnatur der zugrundeliegenden Forderung.

Gegen den dem Kläger am 20.12.2017 zugestellten Beschluss hat dieser mit bei Gericht am 03.01.2018 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO eingelegt. Er hält den beschrittenen Zivilrechtsweg für zulässig. Zur Begründung hat er die Ansicht vertreten, dass Umsatzsteuer und Vorsteuer einschließlich der geleisteten Sondervorauszahlung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein einheitliches Rechtsverhältnis in Form einer abgekürzten Jahressteuerschuld (hier: 01.01.2016 bis 31.08.2016) bildeten, so dass kein Fall der Aufrechnung vorliege (BFH, Urt. v. 24.11.2011 - V R 13/11, BeckRS 2011, 96933, Anlage 4).

Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 05.01.2018 nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es weiter ausgeführt, dass es zwar von der Umdeutung der Verrechnung in eine Aufrechnung i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO i.V.m. §§ 387 ff. BGB Abstand nehme, da es sich bei nach §§ 16 ff. UStG zu saldierenden Steueransprüchen wie Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen nicht um selbstständige Forderungen, sondern um unselbstständige Besteuerungsgrundlagen innerhalb einer Steuerberechnung und -festsetzung handele (B...

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