Leitsatz (amtlich)

1. Ist der Leistungsempfänger im Fall der Doppelinsolvenz des Leistenden und des Leistungsmittlers einer Deckungs- und Schenkungsanfechtung ausgesetzt, ist er nicht zur Erfüllung beider Ansprüche verpflichtet. Es besteht mangels einheitlicher Forderung keine Gesamt- oder Teilgläubigerschaft; vielmehr liegen konkurrierende Anfechtungsansprüche für verschiedene Insolvenzmassen vor, die sich auch für den Fall, dass sie beide begründet sind, nur einmal durchsetzen lassen.

2. Der grundsätzliche Vorrang der Deckungsanfechtung erfordert eine rechtzeitige Geltendmachung der Deckungsanfechtung und erfasst deshalb nur den Fall, dass sich der Anfechtungsgegner zeitgleich dem Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters des Leistenden und des Leistungsmittlers ausgesetzt sieht.

3. Hat der Leistungsempfänger bereits Jahre vor der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter des Leistenden den Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters des Leistungsmittlers wirksam erfüllt, steht seiner weiteren Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter des Leistenden auch § 144 Abs. 1 InsO entgegen.

 

Normenkette

InsO § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1, § 143 Abs. 1, § 144 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 13 O 290/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.04.2023 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (13 O 290/22) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 14.179,06 EUR.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung der Klägerin war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Sie hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die vom Senat nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.

Darauf hat der Senat bereits mit Beschluss vom 01.12.2023 hingewiesen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Klägerin vom 21.01.2024.

Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückgewähr von 14.179,06 EUR gemäß §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat.

Hierfür ist mit Blick darauf, dass die Beklagte die an sie geleisteten Sozialversicherungsbeiträge auf den im September 2020 geltend gemachten Anfechtungsanspruch an den Insolvenzverwalter der leistenden Muttergesellschaft zurückerstattet hat, kein Raum mehr.

1. Liegt - wie hier - ein Fall der Doppelinsolvenz des Leistenden und des Leistungsmittlers vor, und ist der Leistungsempfänger einer Deckungs- und Schenkungsanfechtung ausgesetzt, ist er nicht zur Erfüllung beider Ansprüche verpflichtet. Es besteht mangels einheitlicher Forderung keine Gesamt- oder Teilgläubigerschaft; vielmehr liegen konkurrierende Anfechtungsansprüche für verschiedene Insolvenzmassen vor, die sich auch für den Fall, dass sie beide begründet sind, nur einmal durchsetzen lassen (BGH, Urt. v. 04.02.2016 - IX ZR 42/14, Rn. 30 ff.; v. 16.11.2007 - IX ZR 194/04, Rn. 29 ff.; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129 Rn. 323a; MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl. 2019, § 143 Rn. 6; HK-InsO/Thole, 11. Aufl. 2023, § 129 Rn. 107 m.w.N.).

Da die Beklagte nach vorangegangener Anfechtung durch den Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft bereits Anfang Oktober 2020 den streitgegenständlichen Betrag i.H.v. 14.179,06 EUR an den Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft erstattet hat, ist sie von ihrer Zahlungspflicht frei geworden und kann von der Klägerin nicht noch einmal in Anspruch genommen werden.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der von der Beklagten vorgenommene Ausgleich habe keine schuldbefreiende Wirkung. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum grundsätzlichen Vorrang einer (geltend gemachten) Deckungsanfechtung gegenüber der Schenkungsanfechtung im Dreiecksverhältnis bei einer Doppelinsolvenz von Leistungsmittler und Leistendem (BGH, Urt. v. 08.09.2016 - IX ZR 151/14, Rn. 22; v. 04.02.2016, a.a.O., Rn. 24; v. 22.10.2009 - IX ZR 182/08, Rn. 12 ff.; v. 16.11.2007, a.a.O., Rn. 34 ff.) kann die Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. In diesen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof nicht ausgeführt, dass die aufgrund einer Schenkungsanfechtung bereits geleistete Zahlung keine schuldbefreiende Wirkung habe mit der Folge, dass die Anfechtungsgegnerin aufgrund einer erst nachträglich geltend gemachten Deckungsanfechtung ein zweites Mal zur Leistung verpflichtet sei. Darauf würde aber die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung hinauslaufen.

Wie bereits in dem Hinweis vom 01.12.2023 ...

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