Leitsatz (amtlich)

Mehrere in einem Verfahren geltend gemachte Ansprüche werden gebührenrechtlich nur dann zusammengerechnet, wenn sie gleichzeitig nebeneinander verfolgt werden.

 

Normenkette

GKG § 39

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Beschluss vom 25.01.2010; Aktenzeichen 22 O 34/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des LG Duisburg vom 25.1.2010 teilweise abgeändert.

Der Streitwert wird für die Zeit bis 26.6.2008 anderweitig auf 8.568 EUR und von Amts wegen für die Zeit danach auf 5.712 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die zutreffende Festsetzung des Streitwerts in einem ohne Eintritt in die mündliche Verhandlung beendeten Rechtsstreit.

Die Klägerin (Vermieterin) hatte für zwei der beklagten Mieterin zur Nutzung in deren Sonnenstudio überlassene Bräunungsgeräte Mietzinsen für die Zeit von April 2007 bis März 2008 (12 Monate) i.H.v. 8.568 EUR (12 × 714 EUR/Mt) eingeklagt. Nachdem die Beklagte (Mieterin) die Mieten der Monate April bis Juni 2007 i.H.v. 2.142 EUR (3 × 714 EUR/Mt) nach Eintritt der Rechtshängigkeit gezahlt und sich herausgestellt hatte, dass die übrigen Mieten bei jeweiliger Fälligkeit ausgeglichen worden waren, hat die Klägerin mit dem bei Gericht am 27.6.2008 eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums den Rechtsstreit wegen der erstgenannten Mieten (2.142 EUR) in der Hauptsache für erledigt und ferner erklärt, sie verfolge nicht mehr die Mieten der Monate Juli 2007 bis März 2008 (8 Monate) im Betrage von 6.426 EUR (8 × 714 EUR/Mt), sondern "alternativ" die Mieten der Monate August 2006 bis März 2007 i.H.v. 5.622 EUR (richtig: 5.712 EUR [8 × 714 EUR/Mt]). Anschließend hat sie die Klage zurückgenommen.

Mit dem jetzt angefochtenen Beschluss hat der Vorsitzende der angerufenen Kammer für Handelssachen unter Abänderung des Beschlusses vom 12.11.2008 den dort bestimmten Streitwert (8.568 EUR [12 × 714 EUR/Mt]) auf 14.190 EUR heraufgesetzt (2.142 EUR + 6.426 EUR + 5.622 EUR). Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die den ursprünglich festgesetzten Streitwert (8.568 EUR) für richtig hält.

II. Das LG vertritt die Auffassung, die Werte der zurückgenommenen Streitgegenstandsteile seien zu addieren. Zwar seien die Streitgegenstände zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig geltend gemachten worden. Die Wertaddition sei aber dennoch geboten, um den Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts entsprechend dem Gebührenrecht zutreffend zu erfassen; denn dieser habe sich im Interesse des Mandanten im Prozess nacheinander mit beiden Klageansprüchen befassen müssen.

B. Die zulässige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Zugleich ist der Streitwert für die Zeit nach dem 26.6.2008 von Amts wegen anderweitig auf 5.712 EUR festzusetzen.

I. Die Beschwerde ist gem. §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und wegen der Überschreitung der notwendigen Beschwer von mehr als 200 EUR (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) auch im Übrigen zulässig. Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel gem. § 122 Abs. 1 GVG in seiner vollen Besetzung (vgl. BGHZ 156, 320 = NJW 2004, 856).

II. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der wegen nachträglich eingetretener Wertveränderungen zeitlich gestaffelt festzusetzende Streitwert beträgt bis zum 26.6.2008 gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO 8.568 EUR (12 × 714 EUR/Mt). Insoweit war die Wertfestsetzung für diesen Zeitraum im Beschluss vom 12.11.2008 zutreffend. Dies zieht auch keiner der Beteiligten in Zweifel.

2. Mit der Einreichung des die Klageänderung enthaltenden Schriftsatzes am 27.6.2008 hat sich der Streitwert indessen nicht, wie das LG meint erhöht, er hat sich vielmehr auf 5.712 EUR ermäßigt.

a) Der Senat ist nicht daran gehindert, den Streitwert über den Beschwerdeangriff hinaus herabzusetzen. Die (Rechtsmittel-)Gerichte sind gem. § 61 GKG nicht an die Angaben der Parteien zum Wert des Streitgegenstandes gebunden. Sie sind vielmehr gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG befugt, in den (hier eingehaltenen) zeitlichen Grenzen des Satzes 2 dieser Vorschrift den Streitwert jederzeit von Amts wegen festzusetzen und abzuändern; der im Zivilprozessrecht sonst fast ausnahmslos geltende Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" gilt im Streitwertrecht grundsätzlich nicht (OLG Düsseldorf MDR 2009, 1187 = OLGReport Düsseldorf 2009, 745 sub B. II.1 m.w.N.).

b) Der eingangs des Rechtsstreits maßgebliche Streitwert hat sich in Höhe des Teilerledigungswerts zunächst auf 6.426 EUR (8.568 EUR - 2.142 EUR) ermäßigt. Dem hat das LG schon nicht Rechnung getragen.

aa) Erledigt sich der ursprüngliche Streitgegenstand teilweise, so ist bezogen auf die Streitwertermittlung zu unterscheiden:

(1) Handelt es sich um eine einseitige, nur durch eine Prozesserklärung der klagenden Partei herbeizuführende Teilerledigung, führt die damit verbundene Klageänderung, nämlich der Teilübergang vom Leistungs- zum Kostenfeststellu...

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