Leitsatz (amtlich)

1. Zweck der Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot ist es, schwere Schäden für die Fusionsbeteiligten oder Dritte abzuwenden, die für die Dauer des fusionsrechtlichen Prüfverfahrens drohen und auf andere Weise nicht zu vermeiden sind. Nachteile, die sich üblicherweise aus dem Vollzugsverbot ergeben, rechtfertigen deshalb in keinem Fall, den Zusammenschlussbeteiligten die Durchführung der Fusion einstweilen zu gestatten.

2. Ebenso wenig ermöglicht die Rechtswidrigkeit der kartellbehördlichen Untersagungsentscheidung als solche eine Befreiung vom Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 2 GWB.

3. Bei der Beurteilung, ob wichtige Gründe für eine Befreiung i.S.v. § 41 Abs. 2 Satz 1 GWB vorliegen, können freilich die Erfolgsaussichten einer gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung eingelegten Beschwerde nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Führt bereits eine summerische Kontrolle zu durchgreifenden Bedenken an der Rechtmäßigkeit des kartellbehördlich ausgesprochenen Fusionsverbots, sind tendenziell geringere Anforderungen an den wichtigen Grund und den schweren Schaden i.S.v. § 41 Abs. 2 Satz 1 GWB zu stellen.

 

Normenkette

GWB § 41 Abs. 2; GlüStV § 25 Abs. 1; GlüStV § Abs. 2; LGlüG RP § 5 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

BKartA (Beschluss vom 25.02.2008; Aktenzeichen B6-92763-Fa-158/07)

 

Tenor

I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1. und zu 2. gegen den Beschluss des BKartA vom 25.2.2008 (B 6-92763-Fa-158/07) werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 1. und zu 2. haben die Kosten des Be-schwerdeverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Er-ledigung der Angelegenheit entstandenen notwendigen Kos-ten des BKartA und der Beigeladenen zu 1. zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin zu 2. (nachfolgend: Lotto GmbH) betreibt im Bereich der Gebietskörperschaft des Beschwerdeführers zu 1. (nachfolgend Land RP) als von diesem betrautes Unternehmen nach dem Landesglücksspielgesetz des Landes RP u.a. verschiedene Glücksspiellotterien. Derzeit betreibt sie aufgrund staatlicher Konzessionsbescheide des Landes RP die Lotterien und Wettspiele GlücksSpirale, Zahlenlotterie 6 aus 49, Super 6, Spiel 77, Zahlenlotterie Keno, Plus 5, Losbrieflotterie (Rubbellose), Fußballtoto-Auswahlwette, Fußballtotoergebniswette und Oddset-Sport-wette. Gesellschafter der Lotto GmbH sind die Beteiligten zu 3. bis 5.

Das Land RP beabsichtigt, von den Beteiligten zu 3. bis 5. insgesamt 51 % der Anteile der Lotto GmbH zu übernehmen, um darüber einen maßgeblichen Einfluss auf das Glücksspiel in Rheinland-Pfalz nehmen zu können.

Hintergrund für das Übernahmevorhaben sind Regelungen im Staatsvertrag der Bundesländer zum Glücksspielwesen in Deutschland aus dem Jahr 2007 (GlüStV) und des Ratifizierungsgesetzes des Landes RP zu diesem Vertrage (Landesglücksspielgesetz - LGlüG). Ziel des Glückspielstaatsvertrages sind gemäß seines § 1 u.a., "das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen" und "das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere das Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern".

In § 10 GlüStV heißt es hierzu weiter:

"(1) Die Länder haben zur Erreichung der Ziele des § 1 die ordnungsrechtliche Aufgabe, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen. (...)

(2) Auf gesetzlicher Grundlage können die Länder diese öffentliche Aufgabe selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen."

§ 25 GlüStV ergänzt diese Regelung wie folgt:

"(1) Die bis zum 1.1.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse der Veranstalter i.S.d. § 10 Abs. 2 und die ihnen nach Landesrecht gleichstehenden Befugnisse gelten - soweit nicht im Bescheid eine kürzere Frist festgelegt ist - bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis mit der Maßgabe fort, dass die Regelungen dieses Staatsvertrages (...) Anwendung finden. (...)

"(2) Abweichend von § 10 Abs. 2 kann das Land Rheinland-Pfalz seine Aufgabe nach § 10 Abs. 1 durch ein betrautes Unternehmen wahrnehmen."

In § 5 des Landesglücksspielgesetzes hat das Land RP zur Umsetzung vorgenannter Bestimmungen folgende Regelungen getroffen:

"(1) Die in Rheinland Pfalz zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erforderlichen öffentlichen Glücksspiele werden vom Land selbst unmittelbar oder mittelbar über die Süddeutsche Klassenlotterie veranstaltet. Die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe obliegt dem für das Lotteriewesen zuständigen Ministerium; dieses kann sich zur Durchführung der unmittelbar vom Land veranstalteten öffentlichen Glücksspiele einer privatrechtlichen Gesellschaft bedienen, die vom Land beherrscht wird.

(2) Das Land wird ermächtigt,....

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