Leitsatz (amtlich)
1. Gegen eine Wertfestsetzung durch das LG als Berufungsgericht ist die sofortige Beschwerde an das OLG statthaft.
2. Das Verbot der "reformatio in peius" gilt nicht für die Streitwertfestsetzung.
3. Der Streitwert einer Berufung gegen ein noch nicht ergangenes Urteil ist nach dem Mindestwert von 300 EUR festzusetzen.
Normenkette
GKG §§ 68, 63, 47
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Beschluss vom 05.08.2008; Aktenzeichen 16 S 41/08) |
AG Wuppertal (Aktenzeichen 97 C 465/00) |
Tenor
Die Beschwerde der Verfahrensbeteiligten gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 5.8.2008 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 12.2.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Parteien haben vor dem AG um wechselseitig erhobene wohnungsmietrechtliche Ansprüche gestritten. Schluss der letzten mündlichen Verhandlung war der 1.8.2006 gewesen. Nachdem das AG (nach mehrfachen Verlegungen) schließlich Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 18.10.2007 anberaumt hatte, haben die Kläger (Vermieter) mit Schriftsatz vom 11.4.2008 fristwahrend Berufung eingelegt. Zu stellende Rechtsmittelanträge haben sie der Berufungsbegründung vorbehalten. Durch Beschluss vom 29.4.2008 hat das AG sodann bekannt gegeben, am 18.10.2007 sei kein Urteil verkündet worden, und hat neuen Verkündungstermin angesetzt. Die Kläger haben daraufhin ihre Berufung zurückgenommen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG den Streitwert für das erledigte Berufungsverfahren auf 7.028,53 EUR festgesetzt. Es handelt sich dabei um den Betrag aus dem Zahlungsantrag des Schriftsatzes vom 17.6.2003 (GA 301), mit dem die Kläger zuletzt aber nicht mehr verhandelt hatten. Gegen diese Wertfestsetzung richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten (künftig: Beschwerdeführerin), die das Rechtsmittel aus eigenem Recht führt. Sie will die Heraufsetzung des Berufungsstreitwerts auf 29.925,34 EUR erreichen. Zur Begründung führt sie aus, der Berufungsstreitwert richte sich nach dem kumulierten Wert der zuletzt im ersten Rechtszug gestellten Anträge aus Klage (10.974,11 EUR) und Widerklage (18.951,23 EUR). Das LG hat der Beschwerde nicht geholfen. Es hat von Amts wegen den Berufungsstreitwert auf bis zu 300 EUR herabgesetzt.
Die Kläger, die den angefochtenen Beschluss in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung für richtig halten, bitten um Zurückweisung der Beschwerde.
B.I. Das Rechtsmittel, über das der Senat in seiner vollen Besetzung entscheidet (§ 122 Abs. 1 GVG), ist gem. § 32 Abs. 2 RVG, §§ 63 Abs. 3 Satz 2, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft. Der Senat hat entschieden (vgl. OLGReport Düsseldorf 2007, 127 m.w.N.), dass auch gegen Wertfestsetzungen des LG als Berufungsgericht der Weg der Streitwertbeschwerde eröffnet ist. Anders als die bis zum 30.6.2004 vor Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 (BGBl. I, 718 ff.) anzuwendende Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F. enthält § 68 Abs. 1 GKG keinen Ausschluss der Beschwerde gegen die Wertfestsetzung des Rechtsmittelgerichts. Der Verzicht des Gesetzgebers auf die Übernahme der früheren Regelung in das neue Kostenrecht steht auch einer analogen Heranziehung der entsprechenden Rechtsmittelbeschränkung aus § 567 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. Senat, a.a.O., vgl. auch BGH NJW-RR 2008, 151 m.w.N.).
II. Das auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Der vom LG im Nichtabhilfeverfahren auf 300 EUR herabgesetzte Berufungsstreitwert ist richtig.
1. In formeller Hinsicht ist zunächst nicht zu beanstanden, dass das LG im Nichtabhilfeverfahren die Position der Beschwerdeführerin im Verhältnis zu dem von ihr angefochtenen Beschluss noch einmal erheblich verschlechtert hat. Der im Zivilprozessrecht sonst fast ausnahmslos geltende Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" (vgl. BGH NJW 1983, 173, 172 sub II. B. 2a - auch zu Ausnahmen) gilt im Streitwertrecht grundsätzlich nicht (vgl. OLG Rostock OLGReport Rostock 2008, 223; OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2007, 430; OLG Karlsruhe NJOZ 2005, 2052 [2053]; OLG Brandenburg JurBüro 1998, 418; OLG Karlsruhe, JurBüro 1998, 419; OLG Düsseldorf (23. ZS) OLGR 1997, 136; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rz. 13; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 68 GKG, Rz. 19 m.w.N.; Meyer, GKG, 9. Aufl., § 68 Rz. 14). Das beruht darauf, dass das Streitwertfestsetzungsverfahren im überwiegenden öffentlichen Interesse an einer jederzeit objektiv richtigen Bewertung der Verfahrensgegenstände gem. §§ 63 ff. GKG als amtliches Verfahren ausgestaltet ist (vgl. BGH NJW 2004, 3488, 3489 sub III. 3). Die (Rechtsmittel-)Gerichte sind gem. § 61 GKG nicht an die Schätzangaben der Parteien zum Wert gebunden und gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG befugt, in den zeitlichen Grenzen des Satzes 2 dieser Bestimmung den Streitwert jederzeit von Amts wegen festzusetzen und abzuändern. Die divergierenden und ohnehin je nach Parteirolle wechselnden privaten Interessen der Prozessbeteiligten, die Rechtsverfolgung für sich möglichst kostengünstig...