Entscheidungsstichwort (Thema)
OLG hält Vergleichsvertrag zum Betrieb der Nahverkehrslinien im Rhein-Ruhrgebiet zwischen VRR und DB Regio für vergaberechtswidrig
Tenor
Die Sache wird dem BGH vorgelegt.
Gründe
A. Die Antragsgegnerin schloss, nachdem sie im Submissionsanzeiger vom 28.5.2003 eine Anfrage wegen des Netzbetriebs von SNVP veröffentlicht hatte, am 12.7.2004 einen Vertrag mit der Beigeladenen. Danach wurde der Beigeladenen u.a. der Betrieb sämtlicher S-Bahn-Linien bis Dezember 2018 übertragen. Neben den Fahrgeldeinnahmen sollte die Beigeladene von der Antragsgegnerin Zuschüsse erhalten, die letztere wiederum auf Grund des Regionalisierungsgesetzes und des ÖPNVG NRW vom Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt erhielt. Diese Zuschüsse deckten und decken - auch unter Berücksichtigung des nachfolgend geschilderten Änderungsvertrages - nach den Berechnungen der Beigeladenen mehr als 60 % der Aufwendungen (einschließlich Allgemeinkosten und Gewinn) ab. Der Vertragsabschluss wurde im Supplement zum EU-Amtsblatt am 30.3.2005 bekannt gegeben.
In der Folgezeit kam es zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu Streitigkeiten. Die Antragsgegnerin machte u.a. geltend, die Vergütungshöhe verstoße gegen das EU-Beihilfenrecht, des Weiteren erbringe die Beigeladene ihre Verkehrsleistungen nicht ordnungsgemäß. Schließlich wurden die der Antragsgegnerin vom Land zur Verfügung gestellten Mittel gekürzt. Die Auseinandersetzungen führten dazu, dass die Antragsgegnerin teilweise Forderungen der Beigeladenen nicht beglich und den Vertrag kündigte. Im Dezember 2008 wies das VG Gelsenkirchen die Einwände der Antragsgegnerin zurück und verurteilte die Antragsgegnerin zur ungekürzten Zahlung. Antragsgegnerin und Beigeladene nahmen unter Hinzuziehung von Vertretern des Landes NRW Vergleichsverhandlungen auf. Am 21./25.7.2009 gab die Antragsgegnerin ihre Absicht, mit der Beigeladenen einen Vergleichsvertrag abschließen zu wollen, im Supplement zum EU-Amtsblatt bekannt. Bestandteil des Vergleichs sollte danach u.a. die Verlängerung des Verkehrsvertrages mit der Beigeladenen hinsichtlich des S-Bahnverkehrs bis Dezember 2023 sein. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene schlossen den Vertrag mit dem bekannt gemachten Inhalt am 24.11.2009 ab, was am 9.12.2009 im Supplement zum EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde.
Daraufhin stellte die Antragstellerin, die bereits am 11.9.2009 das Verfahren als vergaberechtswidrig gerügt hatte, mit Schriftsatz vom 6.1.2010, am selben Tage eingegangen, bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag. Sie hat sich darauf berufen, eine Direktvergabe des Änderungsvertrages sei mit § 4 Abs. 3 VgV nicht vereinbar. Der Abschluss des Vergleichsvertrages sei als vergaberechtspflichtige wesentliche Änderung des Vertrages aus dem Jahre 2004 anzusehen. Der fragliche Vertrag betreffe einen Dienstleistungsauftrag, nicht eine Dienstleistungskonzession. Außerdem verstoße eine Gesamtvergabe unter Verzicht auf eine Losaufteilung gegen § 97 Abs. 1, 3 GWB, § 5 Nr. 1 VOL/A. Sie wolle zwar nicht den Gesamtauftrag erhalten, habe aber insbesondere Interesse an der Linie S 5, gegebenenfalls an einem die S 5 enthaltenden Linienbündel. Der Vertrag sei beihilferechtswidrig. Die Antragstellerin hat in der Sache beantragt,
1. festzustellen, dass der am 24.11.2009 zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossene Änderungsvertrag zu dem am 12.7.2004 geschlossenen Vertrag über Leistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in den Kooperationsräumen 1 (VRR) und 9 (Niederrhein) im Hinblick auf den Leistungsteil der Linie S 5 von Anfang an unwirksam ist,
2. hilfsweise festzustellen, dass der am 24.11.2009 zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossene Änderungsvertrag zu dem am 12.7.2004 geschlossenen Vertrag über Leistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in den Kooperationsräumen 1 (VRR) und 9 (Niederrhein) von Anfang an unwirksam ist,
3. die Antragsgegnerin für den Fall, dass sie an dem Beschaffungsvorhaben für die Linie S 5 festhält, zu verpflichten, den Auftrag über diese Leistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in den Kooperationsräumen 1 (VRR) und 9 (Niederrhein) nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens mit vorheriger europaweiter Bekanntmachung zu vergeben.
Antragsgegnerin und Beigeladene sind dem entgegen getreten. Sie haben sich auf einen Vorrang des § 15 Abs. 2 AEG vor den Regeln des Vergaberechts berufen. Infolgedessen sei der Nachprüfungsantrag unzulässig und zudem unbegründet. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 VgV müssten daher auch nicht vorliegen. Des Weiteren handele es sich um eine Dienstleistungskonzession. Zudem seien die ausschließlichen Verhandlungen zwischen Antragsgegnerin und Beigeladener nach § 3 Nr. 4 lit. a) VOL/A gerechtfertigt gewesen, weil der Vergleichsabschluss zur Bereinigung der Streitigkeiten notwendig gewesen sei; aus diesem Grunde handele es sich auch nicht um eine wesentliche, dem Vergaberecht unterliegende Vertragsänderung. Des Weiteren ha...