Leitsatz (amtlich)
Weist das Berufungsgericht unmittelbar nach Eingang der Berufungsbegründung noch vor der Terminsbestimmung den Antrag des Berufungsklägers auf Prozesskostenhilfe zurück und zugleich darauf hin, dass die Zurückweisung des Rechtsmittels durch einstimmigen Beschluss beabsichtigt sei, besteht zunächst kein Anlass für den Berufungsbeklagten, zur Verteidigung gegen das Rechtsmittel notwendige Prozesskostenhilfe zu beantragen.
Normenkette
ZPO § 119 Abs. 1 S. 1, § 522 Abs. 2
Tenor
Das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Klägerin ist die Berufungsbegründung des Beklagten vom 3.9. am 6.9.2002 zugestellt worden. Der Senat hat mit Beschluss vom 5.9. – der Klägervertreterin am 9.9.2002 zugestellt – das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten zurückgewiesen und ihn gleichzeitig darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und ihm – dem Beklagten – Gelegenheit gegeben, hierzu bis zum 20.9.2002 Stellung zu nehmen, woraufhin er innerhalb der bis 7.10.2002 verlängerten Frist seine Berufung zurückgenommen hat. Zwischenzeitlich hat sich mit Schriftsatz vom 9.9.2002 die erstinstanzliche nunmehr beim OLG zugelassene Bevollmächtigte der Klägerin auch für den 2. Rechtszug bestellt, den Antrag auf Zurückweisung der Berufung angekündigt und begründet sowie Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Berufung beantragt.
Das Prozesskostenhilfegesuch ist zurückzuweisen.
Grundsätzlich liegt zwar ein Fall der sog. notwendigen Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor (§ 119 Abs. 1 S. 2 ZPO). Hiernach sind weder Erfolgsaussichten noch Mutwilligkeit der Rechtsverteidigung des Rechtsmittelgegners zu prüfen. Voraussetzung für die Bewilligung ist jedoch nach allgemeiner Meinung, dass die Durchführung des Rechtsmittels feststeht. Dies kann i.d.R. erst bejaht werden, wenn die Berufung begründet wird; denn vorher kann nicht festgestellt werden, ob das Rechtsmittel nicht etwa als unzulässig zu verwerfen ist (durch Beschluss gem. § 522 Abs. 1 ZPO), so dass für den Rechtsmittelgegner keine Notwendigkeit zur Rechtsverteidigung besteht (vgl. BGH v. 10.2.1988 – IVb ZR 67/87, FamRZ 1988, 942; Zöller/Philippi, 23. Aufl., § 119 ZPO Rz. 55 m.w.N.). Der Grund hierfür liegt darin, dass dem Gegner bis dahin keine nachteilige Entscheidung in der Sache droht und ihm deshalb zugemutet werden kann, die Durchführung des Rechtsmittels abzuwarten (BGH v. 10.2.1988 – IVb ZR 67/87, FamRZ 1988, 942).
Nichts anderes kann aber gelten, wenn das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO n.F. verfährt und den Hinweis erteilt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss wegen fehlender Erfolgsaussichten pp. zurückweisen zu wollen. Dieses Verfahren ähnelt weitgehend dem der Verwerfung der Berufung als unzulässig, nur dass der Rechtsmittelführer zuvor noch auf die beabsichtigte Zurückweisung und deren Gründe hinzuweisen und diesem – nicht jedoch dem Rechtsmittelgegner (S. 2 aaO) – Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Daraus, dass einerseits beide Parteien von der beabsichtigten Zurückweisung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zu unterrichten sind, jedoch andererseits nur dem Berufungskläger Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen ist, folgt ohne weiteres, dass dem Gegner zuzumuten ist, zunächst das weitere Verfahren abzuwarten, bis – ggf. auf Grund der Stellungnahme des Rechtsmittelklägers – das Berufungsgericht vom Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Abstand nimmt, da zuvor keine ihm nachteilige Sachentscheidung ergehen kann.
Wohlgemuth Schmitz-Salue Scheideler
VorsRiOLG RiOLG RiOLG
Fundstellen
Haufe-Index 1104732 |
MDR 2003, 658 |
AGS 2003, 213 |