Leitsatz (amtlich)

Der Betrieb einer einzelnen grenzüberschreitenden Höchstspannungs- oder Hochspannungsstromleitung ist als Transportnetz im Sinne des EnWG einzuordnen.

Bei einer grenzüberschreitenden Höchstspannungs- oder Hochspannungsstromleitung ist jedenfalls auch die Bundesnetzagentur für die Zertifizierung des Transportnetzbetreibers gemäß § 4a Abs. 1 EnWG zuständig.

 

Normenkette

EnWG § 3 Nrn. 10, 32, § 4a Abs. 1, §§ 57, 109 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Bundesnetzagentur (Beschluss vom 21.03.2014; Aktenzeichen BK6-12-027)

 

Tenor

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 21.03.2014 (BK6-12-027) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Bundesnetzagentur entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Betroffene.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Betroffene betreibt das "C.", eine 250 km lange 450 kv-GleichstromVerbindungsleitung zwischen Deutschland und Schweden. Auf deutscher Seite ist das auf 600 MW ausgelegte Kabel an das Übertragungsnetz der B. angebunden. Die Anteile der Betroffenen werden seit 2010 von der T. AS, einem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen, gehalten. Die Übertragungskapazität der Stromleitung wird an den Strombörsen versteigert; die Engpasserlöse aus der Versteigerung dienen der Betroffenen als Einnahmequelle.

Nach mehreren Gesprächen und Schriftwechsel hatte die Bundesnetzagentur die Betroffene mit Schreiben vom 15.03.2012 erneut darauf hingewiesen, dass eine Zertifizierung erforderlich sei und aufgefordert, Antragsunterlagen für ein Zertifizierungsverfahren gemäß § 4a Abs. 1 S. 3 EnWG vorzulegen. Mit Schreiben vom 18.05.2012 hat die Betroffene Bezug nehmend auf das Schreiben der Bundesnetzagentur die Feststellung begehrt, dass sie keiner Zertifizierung als Transportnetzbetreiber bedürfe und beantragt, das Verfahren im Hinblick auf laufende Verkaufsverhandlungen ruhend zu stellen. Die Bundesnetzagentur hat die Betroffene dann mit Schreiben vom 17.05.2013 aufgefordert, Zertifizierungsunterlagen einzureichen.

Am 01.08.2013 hat die Bundesnetzagentur schließlich von Amts wegen ein Zertifizierungsverfahren gegen die Betroffenen eingeleitet und in der Folge den streitgegenständlichen Zertifizierungsbeschluss am 21.03.2014 erlassen. Die Europäische Kommission hat zu dem Beschlussentwurf am 23.01.2014 Stellung genommen und sich der Auffassung der Bundesnetzagentur angeschlossen.

In dem Bescheid bestimmt die Bundesnetzagentur, dass die Zertifizierung nicht erteilt wird. Die Betroffene sei als Transportnetzbetreiber einzustufen, habe aber nicht eine Organisation entsprechend den Entflechtungsvorgaben der §§ 8, 9 oder 10 - 10e EnWG nachgewiesen. Sie betreibe mit der Ostsee-Leitung ein Übertragungsnetz und sei daher zur Zertifizierung verpflichtet. Der Gesetzgeber habe mit dem Einschub "einschließlich grenzüberschreitender Verbindungsleitung" klarstellen wollen, dass diese Leitungen Teil des Übertragungsnetzes seien (BT-Drs. 342/11, S. 54). In der Gesetzesbegründung seien Gleichstromleitungen ausdrücklich genannt. Daher sei eine einzelne Leitung als Transportnetz einzustufen. Auch die Verbindung zweier nationaler Übertragungsnetze diene der Belieferung von Letztverbrauchern im Sinne des § 3 Nr. 32 EnWG. Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 verdeutliche, dass eine einzelne Verbindungsleitung als Betrieb eines Übertragungsnetzes einzuordnen sei.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Betroffene gegen den Bescheid. Neben einer Anfechtungsbeschwerde sei hilfsweise eine Feststellungsbeschwerde statthaft, weil bei einer erfolgreichen Anfechtungsbeschwerde der Umstand, dass die Betroffene keiner Zertifizierung bedürfe, nicht zwangsläufig in Rechtskraft erwachse.

Die Bundesnetzagentur sei für die Zertifizierungsentscheidung nicht zuständig, sondern die schwedische Regulierungsbehörde. Art. 10 Abs. 2 Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie formuliere, dass "die nationale Regulierungsbehörde" (Singular) zuständig sei. Dies sei die Regulierungsbehörde im Sitzland des Netzbetreibers. Auch der Schutzzweck des EnWG sei nicht tangiert, weil die Betroffene keine Netznutzer habe, daher nicht diskriminierend tätig werden könne. Sie betreibe mit Hilfe der "0. AS" lediglich das sog. Market Coupling, bei dem die Kapazitäten über die deutschen und schwedischen Strom börsen gehandelt und im Wege einer impliziten Auktion vergeben werden. Es erfolge keine Kapazitätsvergabe an individuelle Netznutzer, eine Diskriminierung sei daher ausgeschlossen.

Im Übrigen wolle die Betroffene die Leitung maximal auslasten, was ihr aber wegen rechtswidrigen Verhaltens des Übertragungsnetzbetreibers am Netzverknüpfungspunkt nicht immer möglich sei. Eine Zuständigkeit der Bundesnetzagentur ergebe sich auch nicht aufgrund des Auswirkungsprinzips (§ 109 Abs. 2 EnWG). Im Übrigen knüpfe die Zertifizierungsentscheidung nicht an den Betrieb des Netzes an, sondern an die organisatorische Ausge...

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