Leitsatz (amtlich)
1. Die Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter ist nicht als mutwillig i.S.d. § 114 Abs. 2 ZPO anzusehen, wenn dieser nachvollziehbare Sachgründe dafür vorbringt, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichtet (Anschluss an BGH, Beschl. v. 06.12.2010 - II ZB 13/09 Rn. 5 ff.).
2. Ist Gegenstand der beabsichtigten Rechtsverfolgung ein Anspruch auf Ersatz verschiedener, in einem bestimmten Zeitraum vom Geschäftsführer veranlasster Zahlungen i.S.d. § 64 GmbHG a.F., liegt keine Teilklage vor, wenn daneben wegen anderer Zahlungen noch weitere Ersatzansprüche in Betracht kommen. Da jede einzelne Zahlung - bei Vorliegen der Voraussetzungen - einen Ersatzanspruch i.S.d. § 64 GmbHG a.F. auslöst, sind die hieraus resultierenden Ansprüche prozessual selbständig und nicht nur unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs. Daher bedarf die Beschränkung mehrerer Ansprüche auf einzelne keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung.
3. Für das Prozess- und Vollstreckungsrisiko ist - ohne anderweitige Anhaltspunkte - regelmäßig ein Abschlag i.H.v. 30 % vorzunehmen.
4. Bei der Prognose der voraussichtlichen Verfahrenskosten ist es allein sachgerecht, auf die gesetzliche Regelvergütung einschließlich der vorgesehenen Auslagen abzustellen, weil die Berechtigung von Zu- und Abschlägen nach § 3 InsVV erst bei der Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht geprüft wird.
Normenkette
GmbHG a.F. § 64 S. 1; InsVV § 3; ZPO § 114 Abs. 2, § 116 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 7 O 111/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 20.04.2023 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 07.04.2023 (Az. 7 O 111/22) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.04.2023 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH (Schuldnerin), das aufgrund eines am 19.07.2021 bei Gericht eingegangenen Eigenantrags durch Beschluss des Amtsgerichts Duisburg am 18.03.2022 eröffnet wurde (Anl. K 1). Unter dem 31.10.2022 hat er zunächst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage beantragt, mit der er beabsichtigt, den Geschäftsführer der Schuldnerin unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 1 GmbHG a.F auf Zahlung von 252.278,40 EUR - Auszahlungen in der Zeit vom 01.11.2017 bis zum 31.01.2018 von dem Geschäftskonto der Schuldnerin - zzgl. Zinsen seit Rechtshängigkeit in Anspruch zu nehmen. Nach einem gerichtlichen Hinweis, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht seien, aktualisierte der Antragsteller unter dem 31.03.2023 seinen Antrag dahingehend, dass er eine Klage nur noch i.H.v. 207.557,16 EUR - Auszahlungen in der Zeit bis zum 02.01.2018 von dem Geschäftskonto der Schuldnerin - nebst Zinsen beabsichtige.
Der Antragsteller hat unter Vorlage einer Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse, alternativ angeführten Gerichtskosten und Verwaltervergütung sowie eines Auszugs aus der Insolvenztabelle geltend gemacht, die Prozesskosten i.H.v. 13.375,03 EUR könnten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden. Auf dem Insolvenzanderkonto bestünde kein Guthaben.
Den wirtschaftlich Beteiligten sei die Aufbringung der Prozesskosten nicht zumutbar (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO). Unter Berücksichtigung eines Prozess- und Vollstreckungsrisikos von 40 % erhöhe sich die Masse auf ... EUR. Von dieser seien in Abzug zu bringen die dann zu berücksichtigenden Kosten des Insolvenzverfahrens i.H.v. ... EUR (Gerichtskosten ... EUR, Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters i.H.v. ... EUR sowie Insolvenzverwaltervergütung i.H.v. ... EUR), die Altmasseverbindlichkeiten - Auslagen für Zustellungen - i.H.v. ... EUR sowie Eventualverbindlichkeiten für die Aufstellung einer Insolvenzbuchhaltung und von Jahresabschlüssen i.H.v. ... EUR, die als Neumasseverbindlichkeiten zu berücksichtigen seien, so dass eine Restmasse i.H.v. ... EUR verbleibe. Die sich daraus errechnende Quotenerhöhung für die Gläubiger, deren Forderungen i.H.v. ... EUR zur Insolvenztabelle festgestellt worden seien, ergebe nicht, dass sie das Doppelte der von ihnen jeweils einzusetzenden Prozesskosten erhalten würden, so dass sie nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vorschusspflichtig i.S.d. § 116 ZPO seien.
Ein Prozessrisiko von 20 % sei angemessen; zwar liege kein vollständiges Belegwesen, aber mittlerweile eine vollständige Buchhaltung vor. Das Vollstreckungsrisiko sei mit 25 % angemessen, weil der Antragsgegner seinen Wohnsitz in Spanien unterhalte. Dies könne möglicherweise eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung beeinträchtigen; ungewiss sei, ob Zugriff auf Vermögenswerte im Inland genommen werden könne.
Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe nicht dargetan, dass die Finanzierung der Prozesskosten den Insolve...