Leitsatz (amtlich)
1. Die dem Straßenverkehrsrecht fremde Annahme einer "mittelbaren" Verkehrsteilnahme des Halters bietet mangels Feststellung einer rechtswidrigen und vorwerfbaren Handlung - sei es durch Tun oder Unterlassen - keine Grundlage für dessen Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit (hier: Verstoß gegen ein Verkehrsverbot zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen).
2. Auch wenn ein Kraftfahrzeug in einer Umweltzone ohne (gültige) Plakette im Sinne des § 3 der 35. BImSchV lediglich geparkt war, kann dies nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO als Verkehrsordnungswidrigkeit des Kraftfahrzeugführers geahndet werden.
3. Wird ein Kraftfahrzeug ohne (gültige) Plakette und damit ordnungswidrig in einer Umweltzone geparkt, stellt dies eine der Kostenregelung des § 25a Abs. 1 Satz 1 StVG unterfallende Anlassordnungswidrigkeit ("Parkverstoß") dar.
4. Die Kostentragungspflicht des Halters erstreckt sich nicht auf die Kosten der Rechtsbeschwerde, wenn bereits das Amtsgericht auf Freispruch hätte erkennen müssen.
Normenkette
OWiG § 1 Abs. 1; StVG § 25a Abs. 1 S. 1; StVO § 49 Abs. 3 Nr. 4; BKatV Anlage Nr. 153; 35. BImSchV § 3; StVO Anlage 2 Zeichen 270.1; StVO Anlage 2 Zeichen 270.2
Tenor
Der Betroffene wird unter Aufhebung des angefochtenen Urteils freigesprochen.
Der Betroffene trägt als Halter des Kraftfahrzeugs die Kosten des behördlichen Verfahrens und des ersten Rechtszuges.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Betroffenen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen ein Verkehrsverbot zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen zu einer Geldbuße von 80 Euro verurteilt.
Der Einzelrichter des Bußgeldsenats hat die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Dem Betroffenen ist Gelegenheit gegeben worden, zur Frage der Kostentragungspflicht als Halter des Kraftfahrzeugs Stellung zu nehmen.
Die Rechtsbeschwerde führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zum Freispruch des Betroffenen (dazu I.), der jedoch als Halter des Kraftfahrzeugs die Kosten des behördlichen Verfahrens und des ersten Rechtszuges zu tragen hat (dazu II.).
I.
Die Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen ein Verkehrsverbot zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen hält rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil es an der Feststellung einer Tathandlung des Betroffenen fehlt.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
"Der Betroffene nahm am 17. April 2019 gegen 14.29 Uhr in M., H-Straße, vor der Hausnummer ... trotz eines Verkehrsverbots zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen (Zeichen 270.1, 270.2) mit dem Pkw Opel mit dem amtlichen Kennzeichen ... am Verkehr teil, indem der Pkw vor dem Haus geparkt war. An dem Pkw war keine sogenannte grüne Plakette angebracht. ...
Jeder, der mit seinem Pkw öffentliche Straßen benutzt, indem der Pkw dort geparkt ist, ist Teilnehmer am öffentlichen Verkehr. Grundsätzlich ist es unerheblich, ob die Teilnahme bewusst - also unmittelbar - erfolgt. Sie kann auch mittelbar erfolgen, indem ein anderer Fahrer den Pkw parkt.
Damit hat sich der Betroffene einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß den §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO schuldig gemacht."
Dem Zusammenhang dieser Urteilsgründe entnimmt der Senat die - nicht ausdrücklich getroffene - Feststellung, dass der Betroffene der Halter des Pkw Opel war. Ferner ist die Feststellung enthalten, dass dieser Pkw zu dem genannten Zeitpunkt ohne Plakette in der Umweltzone geparkt war. Hingegen ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung des Betroffenen (§ 1 Abs. 1 OWiG) - eine solche wird auch in § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO vorausgesetzt - in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt worden. Er hat sich dahin eingelassen, nicht der Fahrer gewesen zu sein.
Nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 41 Abs. 1 StVO ein durch Vorschriftzeichen angeordnetes Ge- oder Verbot der Anlage 2 Spalte 3 nicht befolgt. Nr. 44 der Anlage 2 bestimmt, dass die Teilnahme am Verkehr mit einem Kraftfahrzeug innerhalb der durch Zeichen 270.1 gekennzeichneten Zone verboten ist. Dementsprechend wird der Bußgeldtatbestand in Nr. 153 BKat wie folgt beschrieben: "Mit einem Kraftfahrzeug trotz Verkehrsverbotes zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen (Zeichen 270.1, 270.2) am Verkehr teilgenommen."
Verkehrsteilnehmer im straßenverkehrsrechtlichen Sinne ist, wer sich verkehrserheblich verhält, d. h. körperlich und unmittelbar durch aktives Tun oder Unterlassen auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt (vgl. BGH NJW 1960, 924, 925; BayObLG NZV 1992, 326, 327; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 1 StVO, Rdn. 17 m.w.N.). Vorliegend hat d...