Leitsatz (amtlich)
Eine angefallene Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 ist auch bei einem später im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalt nach RVG-VV Vorbemerkung 3.4 uneingeschränkt auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3100 anzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn die Bedürftigkeit der Partei bereits zum Zeitpunkt der vorprozessualen Tätigkeit vorgelegen hat.
Normenkette
RVG §§ 55-56; RVG VV Vorbemerkung 3.4; RVG VV Nrn. 2300, 2500 ff.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 12.08.2008; Aktenzeichen 39 O 5/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 9. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 12.8.2008 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die dem Rechtsanwalt ... aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 326,24 EUR festgesetzt. Der weitergehende Festsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerde der Landeskasse vom 21.8.2008 (Bl. 71 PKH-Heft) richtet sich gegen den Beschluss der 9. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 12.8.2008 (Bl. 67 f. PKH-Heft), durch den die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 19.3.2008 (Bl. 53 ff. PKH-Heft) gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 17.12.2007 (Bl. 50 PKH-Heft) zurückgewiesen wurde. Hierin war die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für den Antragsteller gemäß dessen Antrag vom 15.11.2007 (Bl. 48 PKH-Heft) antragsgemäß mit 628,68, festgesetzt worden.
Mit ihrer Beschwerde macht die Landeskasse geltend, auf die i.H.v. 508,30 EUR berücksichtigte 1,3 Verfahrensgebühr müsse sich der Antragsteller die ausweislich der Klageschrift wohl angefallene 1,3 Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 hälftig anrechnen lassen.
II. Die Beschwerde der Landeskasse ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig und begründet. Mit Erfolg rügt die Landeskasse, dass eine Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr unterblieben ist.
1. Der BGH hat bereits in seinen Urteilen vom 7.3.2007 - VIII ZR 86/06 (Rpfleger 2007, 505) und 11.7.2007 - VIII ZR 310/06 (AGS 2008, 41) ausgeführt, dass - sofern nach RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4 eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist - sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr vermindert, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren ebenfalls anfallende Verfahrensgebühr. Mit Beschl. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07 (Rpfleger 2008, 332 = MDR 2008, 592 = AGS 2008, 158) hat der BGH seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass die Verfahrensgebühr gem. RVG-VV Nr. 3100 wegen der in RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4 vorgesehenen Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 von vornherein nur in gekürzter Höhe entsteht. Daher kommt nach Auffassung des BGH im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104 f. ZPO keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Ob die vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist, ist vielmehr ohne Bedeutung. Dieser Rechtsauffassung hat sich der Senat mit Beschluss vom 2.10.2008, I-10 W 58/08 angeschlossen.
2. Die Frage, ob diese Grundsätze auch auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG anzuwenden sind, stellt sich - wie der Senat bereits im Beschluss vom 27.11.2008, I-10 W 109/08 ausgeführt hat - nur dort, wo ein Anwendungsfall der RVG-VV Vorbemerkung 3.4 vorliegt, das heißt eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 angefallen ist. Dies ist unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Falles anzunehmen.
a) Der Anfall einer Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 ist ausgeschlossen im Bereich der Beratungshilfe. Wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, unter denen Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, bereits zum Zeitpunkt der vorprozessualen Tätigkeit vorgelegen haben, hatte der Mandant einen Anspruch auf Beratungshilfe, § 1 Abs. 2 BerHG. Ist dem Mandanten ein Beratungshilfeschein erteilt worden, fällt lediglich eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2503 i.H.v. 70 EUR an, die im Innenverhältnis (im Verhältnis zum Gegner gilt § 9 BerHG) hälftig auf die Gebühren eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen sind (vgl. Abs. 2). Wird der Anwalt ohne Beratungshilfeschein tätig, obwohl der Mandant sich erkennbar nur im Rahmen der Beratungshilfe an ihn wendet, so steht dem Anwalt lediglich die Gebühr der RVG-VV Nr. 2500 i.H.v. 10 EUR zu, die nur der Mandant schuldet und die nicht anzurechnen ist; die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren nach RVG-VV Nr. 2501 bis 2508 setzten die Erteilung eines Beratungshilfescheines voraus (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., § 44 Rz. 3; Hartung/Römermann/Schons-Hartung, RVG, 2006, § 44 Rz. 50).
Anders als in dem dem Senatsbeschluss vom 27.11.200...