Leitsatz (amtlich)
1. Eine anzurechnende Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 ist auch bei einem später im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalt nach RVG-VV Vorbemerkung 3.4 uneingeschränkt auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3100, § 49 RVG anzurechnen.
2. Eine Anrechnung setzt allerdings voraus, dass ein Anrechnungsfall der RVG-VV Vorbemerkung 3.4 vorliegt, mithin eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 angefallen ist, was im Bereich der Beratungshilfe ausgeschlossen ist.
3. Durch die Anrechnung reduziert sich die nach § 49 RVG zu bemessene Verfahrensgebühr nicht um den hälftigen Betrag der nach § 13 RVG berechneten Geschäftsgebühr, sondern um den hälftigen Gebührensatz der Geschäftsgebühr.
Normenkette
RVG §§ 55-56; RVG-VV Nrn. 2300, 2500 ff.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 01.09.2008; Aktenzeichen 10 O 81/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichter - vom 1.9.2008 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Erinnerung der Landeskasse wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Urkundsbeamter der Geschäftsstelle - vom 4.3.2008 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die dem Rechtsanwalt Schmidt aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 782,88 EUR festgesetzt. Der weitergehende Festsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerde der Landeskasse vom 3.9.2008 (Bl. 48 ff. PKH-Heft) richtet sich gegen den Beschluss des LG - Einzelrichter - vom 1.9.2008 (Bl. 46 f. PKH-Heft), durch den die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 19.3.2008 (Bl. 28 ff. PKH-Heft) gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 4.3.2008 (Bl. 21 PKH-Heft) zurückgewiesen wurde. Hierin war die für die erste Instanz aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für den Antragsteller gemäß dessen Antrag vom 28.11.2007 (Bl. 12 PKH-Heft) - bis auf 4 EUR für Auslagen - antragsgemäß mit 1.049,80 EUR festgesetzt worden. Prozesskostenhilfe war der von dem Antragsteller vertretenen Partei für die hier fragliche erste Instanz erst nachträglich, mit Beschluss vom 22.2.2008 (Bl. 18 PKH-Heft = Bl. 203 GA) bewilligt worden.
Mit ihrer Beschwerde macht die Landeskasse geltend, auf die u.a. i.H.v. EUR 460,20 ohne Mehrwertsteuer berücksichtigte 1,3 Verfahrensgebühr müsse sich der Antragsteller eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 hälftig anrechnen lassen; diese sei hier für die Fertigung des vorgerichtlichen Anspruchsabwehrschreibens vom 26.1.2008 (Bl. 11 GA) angefallen und mit der Regelgebühr i.H.v. 1,3 anzusetzen.
II. Die Beschwerde der Landeskasse ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig und begründet; sie führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Zu Recht rügt die Landeskasse die unterbliebene Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr.
1. Der BGH hat bereits in seinen Urteilen vom 7.3.2007 - VIII ZR 86/06 (Rpfleger 2007, 505) und 11.7.2007 - VIII ZR 310/06 (AGS 2008, 41) ausgeführt, dass - sofern nach RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4 eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist - sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr vermindert, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren ebenfalls anfallende Verfahrensgebühr. Mit Beschl. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07 (Rpfleger 2008, 332 = MDR 2008, 592 = AGS 2008, 158) hat der BGH seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass die Verfahrensgebühr gem. RVG-VV Nr. 3100 wegen der in RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4 vorgesehenen Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 von vornherein nur in gekürzter Höhe entsteht. Daher kommt nach Auffassung des BGH im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104 f. ZPO keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Ob die vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist, ist vielmehr ohne Bedeutung. Dieser Rechtsauffassung hat sich der Senat mit Beschluss vom 2.10.2008, I-10 W 58/08 angeschlossen.
2. Die Frage, ob diese Grundsätze auch auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG anzuwenden sind, stellt sich nur dort, wo ein Anrechnungsfall der RVG-VV Vorbemerkung 3.4 vorliegt, mithin eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 anfällt. Dies ist unter den gegebenen Umständen des Falles anzunehmen.
Der Anfall einer Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 ist ausgeschlossen im Bereich der Beratungshilfe. Wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, unter denen Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, bereits zum Zeitpunkt der vorprozessualen Tätigkeit vorgelegen haben, hatte der Mandant einen Anspruch auf Beratungshilfe, § 1 Abs. 2 BerHG. Ihm wäre ...