Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn einen Hauseigentümer nach ständiger Rechtsprechung im Regelfall nicht die Pflicht trifft, Dritte vor Dachlawinen zu schützen, kann eine Mehrzahl besonderer Umstände (insbesondere länger andauernde ungewöhnliche Schneewetterlage am Niederrhein, steile Dachneigung des Hauses der Beklagten von 37 Grad, Nachbarhaus mit steiler Dachneigung von 57 Grad zum Haus der Beklagten, beginnende Tauwetterlage gemäß DWD-Auskunft, Ausrichtung der Vorderseite des Hauses der Beklagten Richtung Süden) - auch ohne Verankerung in der städtischen Ortssatzung - jedenfalls in ihrer Gesamtheit ausnahmsweise Vorsichtsmaßnahmen seitens des Hauseigentümers (zumindest in der Form einer hinreichenden Warnung von Passanten bzw. vor ihrem Haus parkwilligen Autofahrern vor herabfallendem Schnee) gebieten.
2. Auch im Übrigen können die konkreten örtlichen Verhältnissen Sicherungsmaßnahmen erfordern, wenn durch die Wetterlage, die Örtlichkeit, Art und Umfang des dortigen Verkehrs, Eigenarten des/der Gebäude/s etc. bedingte besondere Umstände dies als erforderlich und zumutbar erscheinen lassen.
3. Dabei sind im Einzelfall auch mögliche "Kettenreaktionen" von Schneemassen benachbarter Dächer bzw. Dachteilflächen angemessen zu berücksichtigen.
4. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst zwar nicht den Fall, dass mehrere Personen durch selbständige Einzelhandlungen bzw. -unterlassungen (d.h. ohne bewusstes Zusammenwirken) einen Schaden mitverursacht haben. Lassen sich indes in einem solchen Fall von jeder einzelnen Person verursachte Schadensteile im Rahmen der sog. haftungsausfüllenden Kausalität (§ 287 ZPO) nicht abgrenzen, haftet jeder Beteiligte (im Außenverhältnis) gem. § 840 BGB auf Ersatz des Gesamtschadens.
5. Ein Mitverschulden ist dem parkenden Autofahrer nicht anzulasten, wenn die maßgebliche Ursache für die schadensstiftende Kettenreaktion das Zusammentreffen von solchen grundstücks- bzw. bauart- bzw. lagebezogenen Umständen war (hier insbesondere: eine steile Dachneigung des Hauses der Beklagten von 37 Grad, ein Nachbarhaus mit steiler Dachneigung von 57 Grad zum Haus der Beklagten, die Ausrichtung der Vorderseite des Hauses der Beklagten Richtung Süden), die für den Kläger im Rahmen seines Parkvorgangs im Grenzbereich der Häuser von der Straße aus nicht erkennbar waren.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 5 O 175/11) |
Tenor
Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass ihre Berufung nach der Vorberatung des Senats ohne Erfolg bleiben wird. Es wird der Beklagten aus Kostengründen geraten, ihr Rechtsmittel zurückzunehmen.
Gründe
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB in Höhe der - auch in zweiter Instanz von der Beklagten nicht angegriffenen - Nettokosten der noch nicht durchgeführten Fahrzeugreparatur (3.697,17 EUR), der Privatgutachterkosten (851,92 EUR) sowie der Grundbuchkosten (20 EUR) - jeweils nebst Prozesszinsen - sowie ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Prozesszinsen zu.
1. Die vom Kläger in erster Instanz urkundliche belegte Aktivlegitimation stellt die Beklagte in zweiter Instanz nicht mehr in Abrede.
2. Durch die Aussage des Zeugen K. und die beiden Sachverständigengutachten, hat der Kläger bewiesen, dass das Fahrzeug am 28./29.12.2010 vor dem Haus der Beklagten durch eine Dachlawine den von ihm behaupteten Schaden erlitten hat. Die diesbezügliche Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil zum Schadenshergang und zur Schadenshöhe, die vom Senat im Berufungsverfahren unter Berücksichtigung von § 529 ZPO nicht zu beanstanden ist, greift die Berufung der Beklagten nicht an.
3. Die Beklagte hat - zumindest mit einfacher Fahrlässigkeit i.S.v. § 276 BGB - ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, da sie den Kläger vor der Gefahr warnen musste, die - aufgrund besonderer Umstände - durch herabfallenden Schnee für parkende Fahrzeuge und Passanten entstehen konnte.
Das LG hat zutreffend ausgeführt, dass - auch wenn einen Hauseigentümer nach ständiger Rechtsprechung im Regelfall nicht die Pflicht trifft, Dritte vor Dachlawinen zu schützen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 823 Rz. 198 m.w.N.; vgl. auch die weiteren Rechtsprechungsnachweise 239/240 GA) - hier eine Mehrzahl besonderer Umstände, nämlich
- länger andauernde ungewöhnliche Schneewetterlage am Niederrhein,
- steile Dachneigung des Hauses der Beklagten von 37 Grad
- Nachbarhaus mit steiler Dachneigung von 57 Grad zum Haus der Beklagten, -beginnende Tauwetterlage gemäß DWD-Auskunft,
- Ausrichtung der Vorderseite des Hauses der Beklagten Richtung Süden,
vorlagen, die - auch ohne Verankerung in der Ortssatzung der Stadt K. - jedenfalls in ihrer Gesamtheit ausnahmsweise Vorsichtsmaßnahmen seitens der Beklagten - zumindest in der Form einer hinreichenden Warnung von Passanten bzw. vor ihrem Haus parkwilligen Autofahrern vor herabfallendem Schnee - geboten.
Die Ausführungen des LG stehen damit in Einklang, dass von der Rechtsprechung zutreffend in entsprechenden Fällen nach den...