Leitsatz (amtlich)
1. Der Bundesnetzagentur steht hinsichtlich der Redispatch-Vorgaben bei der Auswahl der einzelnen Parameter und Methoden ein Beurteilungsspielraum bzw. Regulierungsermessen zu.
2. Für Redispatch-Maßnahmen ist nicht zwingend eine vertragliche Vereinbarung zwischen Übertragungsnetz- und Kraftwerksbetreiber erforderlich.
3. Als angemessene Redispatch-Vergütung für hochfahrende Erzeugungsanlagen sind nicht nur die tatsächlich verursachten, zusätzlich entstehenden Aufwendungen zu vergüten (Aufwandsersatz). Auch entgangene Gewinnmöglichkeiten, Opportunitätskosten, Marktprämien oder Schattenpreise können ggf. als "angemessene Vergütung" zu berücksichtigen sein. Hierzu zählen auch aufgrund der Redispatch-Maßnahme entgangene Gewinne aus Intraday-Geschäften.
4. Tenorziffer 3 der Redispatch-Vergütungs-Festlegung, wonach die Grenzkosten auf der Basis des punktuell niedrigsten stündlichen EPEX-Spot-Preises berechnet werden, zu dem eine Anlage im Kalendermonat vor dem Einspeisezeitpunkt im normalen Betrieb eingespeist hat, ist rechtswidrig. Die mit der Regelung verbundenen Unsicherheiten sind so erheblich, dass keine "angemessene Vergütung" mehr gewährt wird.
5. Im Rahmen von Redispatch-Maßnahmen kann ein Leistungsentgelt gewährt werden. Jedoch verstößt Tenorziffer 5 der Redispatch-Vergütungs-Festlegung, wonach ein Leistungsentgelt gewährt werden kann, wenn die Redispatch-Maßnahmen jährlich mehr als 10 % der Einspeisemengen des Vorjahres einer Erzeugungsanlage betreffen, gegen das Gleichheitsgebot und ist kartellrechtlich bedenklich.
Normenkette
AEUV Art. 101; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; EnwG § 12 Abs. 4, § 13 Abs. 1a S. 1, § 13 S. 3; EnWG § 13 Abs. 1b, 2, § 13a Abs. 3; EEG 2012 § 12 Abs. 1 S. 2; VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2; StromNZV § 5 Abs. 2 S. 1, § 5 S. 2; ResKV § 6 Abs. 1, § 11 Abs. 2-3; AbLaV § 4 Abs. 1-2, § 15 Abs. 3
Verfahrensgang
Bundesnetzagentur (Beschluss vom 30.10.2012; Aktenzeichen BK8-12-09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Bundes- netzagentur vom 30.10.2012, BK8-12-019, aufgehoben.
Die Bundesnetzagentur trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen. Die weite- ren Beteiligten tragen ihre Kosten selbst.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Betroffene ist künftige Betreiberin des Gemeinschaftskraftwerks C., das im 1. Halbjahr 2015 den Regelbetrieb aufnehmen soll.
Das Kraftwerk ist ein modernes Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk mit einer elektri- schen Nettoleistung von x MW. Als Mittellastkraftwerk dient es dazu, kurzzeitige Las- terhöhungen abzufedern und den Energiebedarf abzudecken, der über die Grundlast hinausgeht. Rund x % der Nettoleistung (x MW) wird bei Bedarf für Bahnstrom ver- wandt. Das Gas für das Kraftwerk wird über den Großhandelsmarkt beschafft. Das Kraftwerk weist hohe Laständerungsraten auf und ist deshalb für Redispatch- Maßnahmen besonders gut geeignet. Das Kraftwerk soll den Strom mit einer 110 KV-Freileitung über das Umspannwerk "x" in das Netz einspeisen. Der Netzknoten liegt in einem Netzabschnitt des Übertragungsnetzes, in dem im Jahr 2011 etwa 400 Redispatch-Maßnahmen erfolgt waren. Die Betroffene geht davon aus, dass sie auf- grund des geplanten Offshore-Ausbaus in der Nordsee künftig vermehrt für Redis- patch-Einsätze in Anspruch genommen werden wird. Sie hat mit dem für sie zustän- digen Übertragungsnetzbetreiber bislang keine Verträge über Redispatch- Maßnahmen geschlossen.
Mit der Festlegung vom 30.10.2012, BK6-11-098 ("BK6-Festlegung") hat die Bun- desnetzagentur Vorgaben "wegen der Standardisierung vertraglicher Rahmenbedin-
gungen für Eingriffsmöglichkeiten der Übertragungsnetzbetreiber in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen" gemacht und geregelt, wie Redispatch-Maßnahmen durch- zuführen, in welcher Reihenfolge Kraftwerke zu Redispatch-Einsätzen heranzuzie- hen sind ("Merit Order") und wie der Datenaustausch zu erfolgen hat.
In der Begründung der BK6-Festlegung (S. 53) nimmt die Bundesnetzagentur zu der für den Intraday-Handel relevanten Frage einer jederzeitigen Wirkleistungsanpas- sung Stellung:
"... Der u.a. in der Stellungnahme von EnBW, E. ON und des VGB geforderten Zuläs- sigkeit einer jederzeitigen, insbesondere auch während eines anstehenden Eingriffs zur Wirkleistungsanpassung möglichen Aktualisierung der Einspeisezeitreihen durch die Anlagenbetreiber kann sich die Beschlusskammer nicht anschließen, auch wenn dies - wie vorgetragen - bereits heute von einem Übertragungsnetzbetreiber zuge- lassen wird. Denn es besteht die Gefahr, dass die Aktualisierung der Einspeisezeit- reihe während einer Maßnahme zu Lasten des Übertragungsnetzbetreibers erfolgt und eine Anweisung zur Wirkleistungsanpassung unterlaufen wird. Die Möglichkeit, eine Anpassungsmaßnahme zu unterlaufen, besteht z.B. dadurch, dass bei einem Kraftwerk, welches aufgrund einer Anweisung zur Anpassung der Wirkleistungser- zeugung von Minimal- auf Maximalleistung hochgefahren wurde, das Leistungsi...