Leitsatz (amtlich)
1. Allein durch Vorlage einer Liquiditäts- oder Cash-Flow-Rechnung ist der dem Netzbetreiber obliegende Nachweis der Betriebsnotwendigkeit eines Kassenbestands im Umlaufvermögen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GasNEV noch nicht geführt. Ob ein negativer Cash-Flow einen Liquiditätsbedarf begründet, der die Vorhaltung liquider Mittel im Umlaufvermögen erforderlich macht und damit betriebsnotwendig ist, unterliegt einer weitergehenden Betrachtung und Bewertung.
Insbesondere bei einem kurzfristigen und vorübergehenden Liquiditätsbedarf kann die Möglichkeit, fällige Verbindlichkeiten durch eine kurzfristige und zielgenaue Aufnahme von Fremdkapital zu finanzieren, eine gegenüber der kostenintensiven permanenten Vorhaltung von Finanzmitteln im Kassenbestand vorzugswürdige, zum Entfallen der Betriebsnotwendigkeit führende Handlungsalternative darstellen. Um insoweit seiner Nachweispflicht hinsichtlich der Betriebsnotwendigkeit eines Kassenbestands im Umlaufvermögen zu genügen, muss sich der Netzbetreiber mit dieser Handlungsoption auseinandersetzen und diese nachvollziehbar und plausibel ausräumen.
Das Kriterium der Betriebsnotwendigkeit in § 7 Abs. 1 GasNEV und dessen Ausrichtung am Maßstab einer kosteneffizienten, wettbewerbsanalogen Leistungserbringung geht indes nicht so weit, dass schon im Rahmen der kostenbasierten Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Ermittlung der Erlösobergrenzen gemäß § 6 Abs. 1 ARegV Effizienzvergleichsbetrachtungen oder sonstige Benchmarking-Ansätze durchzuführen wären. Dies ist vielmehr dem Effizienzvergleich gemäß § 21a Abs. 5 EnWG i.V.m. §§ 12 ff. ARegV vorbehalten, der systematisch von der Ermittlung des Ausgangsniveaus zu trennen ist. Erlaubt, aber auch gefordert ist (lediglich) eine unternehmensindividuelle, an den tatsächlichen Verhältnissen ausgerichtete Betrachtung.
2. Ein aktiver Kapitalverrechnungsposten kann als Bestandteil des betriebsnotwendigen Eigenkapitals als Berechnungsgrundlage für die Kostenposition der Eigenkapitalverzinsung nach § 7 GasNEV anzuerkennen sein, sofern er einer der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 GasNEV genannten Vermögenspositionen gleichgestellt werden kann und dem Netzbetreiber der Nachweis der Betriebsnotwendigkeit gelingt.
Tenor
Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 27.06.2019, BK9-16/8200, wird aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten und die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit jeweiligen notwendigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beschwerdeführerin zu 55 % und die Bundesnetzagentur zu 45 %.
Der Beschwerdewert wird auf ... Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.
Gründe
A. Die Beschwerdeführerin betreibt unter anderem ein Gasverteilernetz, an das rund 48.500 Ausspeisepunkte auf Niederdruck-, Mitteldruck- und Hochdruckebene angeschlossen sind. Sie ist lediglich Eigentümerin der Netzleitstelle sowie der Betriebs- und Geschäftsausstattung. Das Eigentum an den Verteilernetzen und -anlagen liegt größtenteils bei der L (im Folgenden: Subverpächterin). Diese hat ihre Verteilernetze und -anlagen an die S (im Folgenden: Verpächterin 1) verpachtet, die wiederum an die Beschwerdeführerin unterverpachtet. Weiterhin hat die Beschwerdeführerin mit Wirkung zum 01.01.2015 im Rahmen des Vollnetzübergangs den Gasnetzbetrieb der G übernommen und pachtet dieses Gasverteilernetz von der G (im Folgenden auch: Verpächterin 2).
Durch den angefochtenen Beschluss vom 27.06.2019 (Az.: BK9-16/8200) hat die Bundesnetzagentur die kalenderjährlichen Erlösobergrenzen für die 3. Regulierungsperiode Gas (2018 bis 2022) festgelegt.
Dabei hat die Bundesnetzagentur zur kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung für die Beschwerdeführerin lediglich ... Euro als betriebsnotwendiges Umlaufvermögen anerkannt. Dieses setzt sich zusammen aus den Bilanzwerten der Vorräte in Höhe von ... Euro sowie anerkannten Forderungen und sonstigen Vermögensgegenständen in Höhe von ... Euro. Das Erfordernis eines Kassenbestands hat die Bundesnetzagentur wegen vermeintlicher Abrechnungsineffizienz vollständig verneint und den von der Beschwerdeführerin insoweit in Höhe von ... Euro geltend gemachten Kassenbestand auf null gekürzt, obgleich sich aus einer von der Beschwerdeführerin vorgelegten Liquiditäts- bzw. Cash-Flow-Rechnung für das Jahr 2015 ein kumulierter Liquiditätsbedarf in Höhe von ... Euro (... Euro für den Monat Januar und ... Euro für den Monat Februar) ergab. Dieses Liquiditätsdefizit resultiert daraus, dass in den Monaten Januar und Februar 2015 die Auszahlungen die Einzahlungen deutlich überstiegen. In den übrigen Monaten bestanden stets Einzahlungsüberschüsse. Im Januar 2015 betrugen die Auszahlungen ... Euro, während die Einzahlungen bei ... Euro lagen (... Euro). Im Februar 2015 beliefen sich die Auszahlungen auf ... Euro und die Einzahlungen...