Leitsatz (amtlich)
Der wegen Patentverletzung in Anspruch genommene Beklagte ist allenfalls dann verpflichtet, einen Standort zu benennen, an dem die beanstandete Vorrichtung besichtigt werden kann, wenn auch die Voraussetzungen eines Besichtigungsanspruches nach § 809 BGB vorliegen. Die hierzu u.a. erforderliche zumindest gewisse Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung kann sich daraus ergeben, dass der im Rahmen der Beweisaufnahme hinzugezogene Sachverständige schriftlichen Unterlagen über die angegriffene Vorrichtung konkrete Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung entnimmt.
Normenkette
BGB § 809
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4 O 347/97) |
Gründe
Auch unter Berücksichtigung der in dem am 2.5.2002 verkündeten Urteil „Faxkarte” des BGH (Anl. Ax 15; veröffentlicht in BGH v. 2.5.2002 – I ZR 45/01, CR 2002, 791 = GRUR 2002, 1046 und Mitteilungen 2002, 454) niedergelegten Grundsätze können die Beklagten nicht dazu verpflichtet werden, einen Standort zu benennen, an dem ein Gerät der als patentverletzend beanstandeten Art besichtigt werden kann. § 809 BGB bietet für diese Maßnahme schon deshalb keine Grundlage, weil die Klägerin nicht beantragt hat, den Beklagten aufzugeben, die Besichtigung einer derartigen Vorrichtung zu ermöglichen, und ein solcher Antrag auch daran scheitern müsste, dass die Beklagten selbst keine derartige Vorrichtung mehr in Besitz haben und inzwischen auch nicht mehr herstellen. Um einen möglicherweise gegen einen Dritten gerichteten Besichtigungsanspruch kann es im Streitfall schon deshalb nicht gehen, weil die Klägerin keinen Dritten benannt hat, der ein entsprechendes Gerät in seinem Besitz hat. Aus diesen Gründen besteht auch keine Möglichkeit, nach den im Streitfall noch anzuwendenden §§ 144, 371 ZPO a.F. die Besichtigung einer als patentverletzend angegriffenen Vorrichtung anzuordnen.
Das Begehren der Klägerin, einen Betreiber eines als patentverletzend angegriffenen Gerätes namhaft gemacht zu bekommen, das dann der gerichtliche Sachverständige besichtigen und begutachten soll, ist vielmehr der Geltendmachung eines Besichtigungsanspruches vorgelagert. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass für eine dahin gehende Anordnung dieselben Voraussetzungen gelten wie für den Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB selbst, kann der Senat diese Anordnung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht treffen, weil die Voraussetzungen für diesen Anspruch nicht gegeben sind. Für das Patentrecht hat der X. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung „Druckbalken” (BGH v. 8.1.1985 – X ZR 18/84, BGHZ 93, 191 = MDR 1985, 579 = CR 1985, 77 = GRUR 1985, 518) mit Rücksicht auf ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Besichtigungsschuldners bei technischen Vorrichtungen verlangt, dass ein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung vorliegen muss, damit ein Besichtigungsanspruch besteht. Für das Wettbewerbsrecht und das Urheberrecht hat der I. Zivilsenat des BGH in seiner bereits erwähnten Entscheidung („Faxkarte”) diese Anforderungen mit Rücksicht auf die Art. 43 und 50 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) flexibilisiert (ebenso Tilmann/Schreibauer, GRUR 2002, 1015, 1016–1018; ebenso dieselben bereits vor Verkündung der Entscheidung „Faxkarte” in: Festschrift für Willi Erdmann, 2002, 901 [911–918, 920 f.], 923, 925 und 926; König, Mitteilungen 2002,153 [155–156, 158, 161]). Danach genügt es nicht, dass nur eine entfernte Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht, vielmehr muss grundsätzlich auch bei § 809 BGB bereits ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegen (BGH v. 2.5.2002 – I ZR 45/01, CR 2002, 791 = GRUR 2002, 1046 [1048, Abschnitt bb]), und auch bei der Verletzung anderer als technischer Schutzrechte kann jedenfalls nicht durchweg ein erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung verlangt werden (BGH v. 2.5.2002 – I ZR 45/01, CR 2002, 791 = GRUR 2002, 1048 [re.Sp. cc; 1049, li.Sp., Abs. 2]). Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Schutzrechtsverletzung ist nach dieser Entscheidung nur einer von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten. § 809 BGB soll einerseits dem Gläubiger ein Mittel an die Hand geben, um den Beweis der Rechtsverletzung auch in denjenigen Fällen führen zu können, in denen ein solcher Beweis auf andere Weise nur schwer oder gar nicht erbracht werden kann, andererseits aber vermeiden, dass der Besichtigungsanspruch zu einer Ausspähung insb. auch solcher Informationen missbraucht wird, die der Verpflichtete aus schutzwürdigen Gründen geheim halten will, und der Gläubiger sich über sein berechtigtes Anliegen hinaus wertvolle Kenntnisse verschafft (BGH v. 2.5.2002 – I ZR 45/01, CR 2002, 791 = GRUR 2002, 1048 [re.Sp. unten, Abschn. c]). Neben dem Grad der Wahrscheinlichkeit der Schutzrechtsverletzung wird vor allem darauf abgestellt, ob der Gläubiger noch andere zumutbare Möglichkeiten hat, die Rechtsverletzung zu beweisen und ob...