Leitsatz (amtlich)
1. Der Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB kann auch dem Urheber zustehen, der sich vergewissern möchte, ob eine bestimmte Sache unter Verletzung des geschützten Werks hergestellt worden ist. Voraussetzung ist dabei stets, dass für die Existenz eines Anspruchs bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (BGH v. 8.1.1985 - X ZR 18/84, MDR 1985, 579 = CR 1985, 77 = GRUR 1985, 512 [516] - Druckbalken; v. 2.5.2002 - I ZR 45/01, MDR 2003, 167 = BGHReport 2002, 933 = CR 2002, 791 = NJW-RR 2002, 1617 [1619] - Faxkarte).
2. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den Anspruchsvoraussetzungen, die durch die begehrte Besichtigung der Sache erst geklärt werden sollen und solchen Anspruchsvoraussetzungen, die von der Besichtigung der Sache unabhängig sind.
3. Die von der Besichtigung der Sache unabhängigen Voraussetzungen müssen so weit feststehen, dass nur noch die Besichtigung der Sache erforderlich ist, um die Existenz des Anspruchs abschließend beurteilen zu können. Im Hinblick auf die durch die Besichtigung zu klärenden Anspruchsvoraussetzungen ist dagegen der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit ein im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigender Gesichtspunkt.
Normenkette
BGB § 809
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 18.02.2000; Aktenzeichen 308 O 341/97) |
Tenor
Der erstmals in der Berufungsverhandlung v. 14.12.2000 gestellte Hilfsantrag sowie der weitere Hilfsantrag gem. Schriftsatz v. 4.12.2002 werden abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung einschließlich der Kosten der Revision zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt, soweit für das Berufungsverfahren noch relevant, von der Beklagten Offenlegung des Quellcodes eines Computerprogramms wegen eines behaupteten Nachbaus einer Fax-Karte mit einem Fax-Analyser-System, das dem "Abhören" bzw. Überwachen von Fax-Sendungen dient.
Nachdem das LG nach Beweisaufnahme die Klage auf Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz mit Urteil (LG Hamburg, Urt. v. 18.2.2000 - 308 O 341/97) abgewiesen hatte, hat der Senat die Berufung der Klägerin sowie den in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag, die Beklagte zu verurteilen, den "Quell-Code" der Programme bzw. Programmteile für das streitige System T. offen zu legen, soweit eine Übereinstimmung der Dateilänge bereits festgestellt worden ist, mit Urteil (OLG Hamburg, Urt. v. 11.1.2001 - 3 U 120/00, CR 2001, 434) abgewiesen. Die gegen das Urteil des Senats eingelegte Revision hat der BGH mit Beschluss v. 25.10.2001 nur insoweit angenommen, soweit der Hilfsantrag zurückgewiesen wurde (I ZR 45/01). Mit Urt. v. 2.5.2002 (BGH, Urt. v. 2.5.2002 - I ZR 45/01, MDR 2003, 167 = BGHReport 2002, 933 = CR 2002, 791 = NJW-RR 2002, 1617 [1619] - Faxkarte) hat der BGH das Urteil des Senats v. 11.1.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen worden ist. Der BGH hat die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den Senat zurückverwiesen.
Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, den Quellcode der Programme für das streitige System T. zur Kenntnis der Klägerin offen zu legen, höchst hilfsweise die Offenlegung ggü. einem zur Verschwiegenheit verpflichteten durch das Gericht bestimmten Gutachter zu gewährleisten.
Die Beklagte beantragt, den Hilfsantrag abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird ergänzend auf den Akteninhalt nebst Anlagen sowie die Feststellungen der Urteile (LG Hamburg, Urt. v. 18.2.2000 - 308 O 341/97; OLG Hamburg, Urt. v. 11.1.2001 - 3 U 120/00, CR 2001, 434; BGH, Urt. v. 2.5.2002 - I ZR 45/01, MDR 2003, 167 = BGHReport 2002, 933 = CR 2002, 791 = NJW-RR 2002, 1617 [1619] - Faxkarte) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Offenlegung des Quellcodes sowie der höchst hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Offenlegung ggü. einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Gutachter nicht zu.
I. Ein Anspruch auf Offenlegung des Quellcodes ergibt sich nicht aus § 809 BGB.
Nach dieser Vorschrift kann vom Besitzer die Gestattung der Besichtigung einer Sache verlangt werden, wenn der Anspruchssteller gegen den Besitzer einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, sofern die Besichtigung der Sache aus diesem Grund für den Anspruchssteller von Interesse ist.
Der BGH hat im Urt. v. 2.5.2002 (BGH, Urt. v. 2.5.2002 - I ZR 45/01, MDR 2003, 167 = BGHReport 2002, 933 = CR 2002, 791 = NJW-RR 2002, 1617 [1618] - Faxkarte, Urteilsumdruck S. 8) entschieden, dass der Anspruch aus § 809 BGB grundsätzlich auch dem Urheber oder dem aus Urheberrecht Berechtigten zusteht, wenn er sich vergewissern möchte, ob eine bestimmte Sache unter Verletzung - beispielsweise durch Vervielfältigung - des geschützten Werkes hergestellt word...