Leitsatz (amtlich)
Eine Anordnung nach § 140 ZPO ist einem Dritten gegenüber auch im selbständigen Beweisverfahren möglich. In diesem Fall kann die Anordnung durch Zwischenurteil überprüft und gegebenenfalls auch erzwungen werden.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Beschluss vom 12.11.2013; Aktenzeichen 3 OH 85/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 28.11.2013 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Duisburg vom 12.11.2013 in Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 2.12.2013 abgeändert.
Der A. AG wird gem. § 142 ZPO aufgegeben, eine exakte, nachvollziehbare geometrische Bemaßung des Produkts A.., d.h. entsprechende Fertigungsunterlagen, technische Zeichnungen mit Materialangaben und Prüfvereinbarungen, vorzulegen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens Feststellungen zu einer von ihr behaupteten Luxation einer künstlichen Hüftprothese, welche ihr im Jahr 2000 implantiert worden war. Die Antragsgegnerin ist Herstellerin der Hüftprothese.
Zuletzt mit Beschluss vom 29.5.2012 hat die 3. Zivilkammer des LG Duisburg die Einholung eines biomechanischen-materialwissenschaftlichen Gutachtens zur Frage, worauf die Luxation der Hüftprothese zurückzuführen ist, angeordnet (Bl. 213). Zum Sachverständigen wurde Dr. K., Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin, bestellt. Dieser teilte mit Schreiben vom 15.8.2012 (Bl. 242) mit, dass bei der im Jahr 2000 eingesetzten Prothese im Jahr 2006 ein Pfannenwechsel nach Pfannenlockerung stattgefunden habe, wobei der Keramikkopf ausgetauscht worden sei. Der implantierte Keramikkopf vom Typ A. könne einen Abrieb durch ein Nichtfestsitzen des Kopfes auf dem Schaftkonus verursacht haben, was als vorläufige Erklärung der Luxation schlüssig sei. Zur Beantwortung der Fragen des Beweisbeschlusses seien daher baugleiche Vergleichsteile bzw. Fertigungsunterlagen, technische Zeichnungen mit Materialangaben, Prüfzeugnisse und Liefervereinbarungen der verwendeten Implantate erforderlich. Mit Schreiben vom 22.3.2013 (Bl. 316) wiederholte der Sachverständige die Bitte um Vorlage der erforderlichen Unterlagen, insbesondere der Fertigungsunterlagen und Fertigungszeichnungen zu den bei der Pfannenwechseloperation im Jahr 2006 verwendeten Bauteilen.
Nachdem die 3. Zivilkammer des LG Duisburg mit Beschluss vom 10.4.2013 den Antrag der Antragstellerin, dem Sachverständigen aufzugeben, sich die von ihm benannten Unterlagen selbst zu besorgen, zurückgewiesen hatte (Bl. 318), und der Sachverständige mit Schreiben vom 3.6.2013 (Bl. 331) und 26.7.2013 (Bl. 347) mitgeteilt hatte, dass ihm weiterhin die Fertigungsunterlagen und Fertigungszeichnungen der verwendeten Bauteile, insbesondere des Steckkonus der im Jahr 2006 implantierten Keramikkugel fehle, beantragte die Antragstellerin am 26.8.2013,
der A. AG gem. § 142 ZPO aufzugeben, eine exakte, nachvollziehbare geometrische Bemaßung des Produkts A., d.h. entsprechende Fertigungsunterlagen, technische Zeichnungen mit Materialangaben und Prüfvereinbarungen, vorzulegen.
Die A. AG hatte zuvor eine Herausgabe der genannten Unterlagen unter Bezug auf ein Gewerbegeheimnis i.S.d. § 384 Nr. 3 ZPO verweigert (Bl. 360).
Mit dem angefochtenen Beschluss, zugestellt am 14.11.2013, hat die 3. Zivilkammer des LG Duisburg den Antrag zurückgewiesen (Bl. 379). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Vorschrift des § 142 ZPO im selbständigen Beweisverfahren weder unmittelbar noch analog anzuwenden sei. Hiergegen richtet sich die am 28.11.2013 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Mit Beschluss vom 2.12.2013 (Bl. 394) hat die 3. Zivilkammer des LG Duisburg der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Im Falle der Ablehnung eines Antrags nach § 142 ZPO ist die Beschwerde gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft (Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 142 Rz. 13; vgl. auch KG, NJW 2014, 85).
Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das LG den Antrag auf Vorlage der geforderten Bemaßung durch die A. AG zurückgewiesen.
Jedenfalls im vorliegenden Fall bestehen nach Ansicht des Senats keine Bedenken, die Anordnung einer Urkundenvorlage nach § 142 ZPO auch im selbständigen Beweisverfahren zu treffen. Die Anwendbarkeit der §§ 142 und 144 ZPO im selbständigen Beweisverfahren ist umstritten, wird aber weitgehend befürwortet (vgl. KG, a.a.O., mit zahlreichen Nachweisen). Soweit das LG in der angefochtenen Entscheidung die vom KG (a.a.O.) aufgeführten Bedenken gegen eine Anwendung der §§ 142 und 144 ZPO teilt, so greifen diese Bedenken nach Ansicht des Senats - jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht durch:
Unzweifelhaft sind im selbständigen Beweisverfahren neben den Vorschriften über die Beweisaufnahme, §§ 355 ff. ZPO, auch allgemeine Verfahrensvorschriften der §§ 128 ff. ZPO anzuwenden. Darunter fallen auch Vorschriften über die mündliche Verhandl...