Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 28 O (Kart) 529/07) |
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.
Ist Art. 28 EG (jetzt Art. 34 AEUV), gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 86 Abs. 2 EG (= Art. 106 Abs. 2 AEUV), so auszulegen, dass privatrechtliche Einrichtungen, die zum Zwecke der Erstellung technischer Normen auf einem bestimmten Gebiet sowie zur Zertifizierung von Erzeugnissen anhand dieser technischen Normen gegründet worden sind, bei der Erstellung technischer Normen sowie bei dem Zertifizierungsprozess an die genannten Vorschriften dann gebunden sind, wenn der nationale Gesetzgeber die Erzeugnisse, die mit Zertifikaten versehen sind, ausdrücklich als gesetzeskonform ansieht und in der Praxis daher ein Vertrieb von Erzeugnissen, die nicht mit diesem Zertifikat versehen sind, zumindest erheblich erschwert ist?
2.
Sollte die erste Frage zu verneinen sein:
Ist Art. 81 EG (= Art. 101 AEUV) so auszulegen, dass die Tätigkeit einer unter 1. näher beschriebenen privatrechtlichen Einrichtung auf dem Gebiet der Erstellung technischer Normen und der Zertifizierung von Erzeugnissen anhand dieser technischen Normen als “wirtschaftlich„ anzusehen ist, wenn die Einrichtung durch Unternehmen beherrscht wird?
Sollte die vorige Teilfrage bejaht werden:
Ist Art. 81 EG so auszulegen, dass die Erstellung technischer Normen und die Zertifizierung anhand dieser Normen durch eine Unternehmensvereinigung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten geeignet ist, wenn ein in einem anderen Mitgliedsstaat rechtmäßig hergestelltes und vertriebenes Erzeugnis deswegen im Einfuhrmitgliedsstaat nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten vertrieben werden kann, weil es die Anforderungen der technischen Norm nicht erfüllt und ein Vertrieb ohne ein derartiges Zertifikat im Hinblick auf die überragende Marktdurchsetzung der technischen Norm und eine Rechtsvorschrift des nationalen Gesetzgebers, derzufolge ein Zertifikat der Unternehmensvereinigung die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen bekundet, kaum möglich ist, und wenn die technische Norm, wäre sie unmittelbar von dem nationalen Gesetzgeber erlassen worden, wegen Verstoßes gegen die Grundsätze über die Warenverkehrsfreiheit nicht anzuwenden wäre?
Gründe
I.
Die Klägerin ist ein Italien ansässiges Unternehmen, das dort u.a. Kupferfittings herstellt und vertreibt. Bei Kupferfittings handelt es sich um Verbindungsstücke zwischen zwei Rohrleitungsstücken, wobei die Fittings zur Sicherstellung der Dichtigkeit an ihren Enden mit Dichtungsringen aus flexiblem Material versehen sind. Für das streitgegenständliche Fitting benutzt die Klägerin für die Dichtung Elastomer, das sie von der Fa. L... (ebenfalls in Italien ansässig) bezieht.
Bei dem Beklagten handelt es sich um einen 1859 gegründeten Verein, dessen Ziel der Satzung zufolge die Förderung des Gas- und Wasserfachs sind. Er verfolgt danach keine wirtschaftlichen oder politischen Ziele. Mitglieder des Beklagten sind zu 73 % Einzelpersonen mit einem Interesse am Gas- und Wasserfach, des Weiteren zu 14 % Wasser- und Gasversorgungsunternehmen, schließlich auch - vermittelt durch einen Verband - Hersteller in diesem Bereich. Infolge der Mehrfachstimmrechte der Versorgungsunternehmen sind jedoch 22 von 40 Vorstandsmitgliedern den Versorgungsunternehmen zuzurechnen. Der Vorstand ernennt die Lenkungskomitees und erlässt die Geschäftsordnung.
Der Beklagte erstellt auf dem Gebiet des Gas- und Wasserfachs in einem formalisierten Verfahren technische Normen für Erzeugnisse (einschließlich des bei einer Zertifizierung einzuhaltenden Prüfungsverfahrens). Die Absicht, derartige technische Normen zu erstellen, wird öffentlich bekannt gemacht, an der Diskussion können sich sämtliche interessierten Unternehmen beteiligen. Für die fraglichen Fittings gilt das Arbeitsblatt W534.
Des Weiteren zertifiziert der Beklagte Erzeugnisse anhand der von ihm erstellten technischen Normen, wobei er diese Zertifizierung bis Mitte 2007 selbst, seitdem durch eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, seine Streithelferin, durchführt. Die Zertifizierung ist nicht auf Mitgliedsunternehmen beschränkt. Der Beklagte ist durch den Deutschen Akkreditierungsrat als Akkreditierungsstelle nach dem Gesetz über die Akkreditierungsstellen vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2625) und der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Anforderungen an Akkreditierung und Marktüberwachung bei der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) 339/93 akkreditiert.
Diese Zertifikate sind auf mehrere Jahre befristet. Ein Zertifikat kann vor Ablauf entzogen werden, wenn der zu erfüllende Standard nicht mehr eingehalten wird. Während dieses Zeitraums kann auch ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden, das mit dem Entzug des Zertifikats enden kann. Nach den ...