Nachhaltigkeitslabels - Fluch oder Segen?

Produkt- und Unternehmenskommunikation sind heute ohne Nachhaltigkeitlabels kaum noch denkbar. Die Auswahl der Labels wird jedoch durch kommende rechtliche Anforderungen immer schwieriger. Dieser Beitrag zeigt, wie Sie seriös mit den begehrten – und häufig auch kritisierten – Zertifikaten umgehen.

Label, Siegel und Zertifikate spielen im Kontext der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Sie dienen nicht nur als Qualitätsmerkmal für Unternehmen, sondern auch als Nachweis dafür, dass in der Herstellung von Produkten Umwelt- und Menschenrechtsstandards berücksichtigt wurden. Im besten Fall sollten sie Transparenz über die ökologischen und sozialen Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen bieten, damit Kund:innen bewusstere Entscheidungen treffen können.

Allerdings ist die Landschaft der Nachhaltigkeitlabels in den letzten Jahren so stark gewachsen, dass sowohl Verbraucher:innen als auch Unternehmen Unterstützung bei der Identifikation relevanter Labels benötigen. Laut ecolabel-Index wird aktuell von über 450 Nachhaltigkeitslabels weltweit ausgegangen - wer soll da den Überblick behalten? Wer schon einmal versucht hat, nachhaltige Kleidung oder Nahrungsmittel zu kaufen, kennt das Problem vermutlich. Nachhaltigkeitsverantwortlichen sowie Mitarbeiter:innen im Einkauf geht es da ganz ähnlich.

Die Auswahl der richtigen Zertifizierung für Produkte und Unternehmen kann ressourcenintensiv sein. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich Unternehmen ausführlich mit den verschiedenen Labels auseinandersetzen und diese kritisch selektieren, um Greenwashing-Vorwürfe zu vermeiden. Dieser Artikel soll dabei helfen, systematisch an die Frage heranzutreten.

Wie unterscheiden sich die verschiedenen Labels voneinander?

Um die Vielfalt an Nachhaltigkeitslabels besser zu verstehen, empfiehlt es sich, eine Unterteilung in verschiedene Kategorien vorzunehmen:

  • Labels für nachhaltige Produkte wie der „Blaue Engel“ oder das „Bio“-Label kennzeichnen Produkte, die bestimmte ESG-Kriterien erfüllen.
  • Um Nachhaltigkeit nicht nur auf Produktebene zu zertifizieren, gibt es Nachhaltigkeitslabels auch auf Unternehmensebene. Hier sind beispielsweise „B Corp“ oder „Purpose®“ zu nennen, die auf die Frage der Eigentumsverhältnisse und die sozialen und ökologischen Auswirkungen eines Unternehmens eingehen.
  • Weitere Labels bewerten, ob Firmen Umweltmanagementstandards eingeführt haben, beispielsweise „EMAS“ oder auch die ISO 14001-Norm. Branchenspezifische Labels unterstreichen die Verpflichtung zu Nachhaltigkeitsstandards in bestimmten Sektoren, wie etwa „FSC“ (Forest Stewardswhip Council), das Produkte aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft zertifiziert.
  • Daneben gibt es themenspezifische Labels, die sich auf ausgewählte Bereiche wie Arbeitsstandards (ISO 45001) oder Klimaschutz („Science Based Targets Initiative“) konzentrieren und dabei helfen, gezielt Handlungsfelder zu adressieren.

Kriterien für die Auswahl von Nachhaltigkeitslabels

Empfohlenes Vorgehen bei der Identifikation relevanter Nachhaltigkeitlabels

Hochwertige Nachhaltigkeitslabels zeichnen sich durch transparente und regelmäßig überarbeitete Kriterien aus, die von unabhängigen Drittanbietern zertifiziert und überwacht werden. Sie gehen über gesetzliche Mindestanforderungen hinaus und stehen für höchste Qualität und Nachhaltigkeit. Ein Beispiel für solche Labels auf Produktebene sind die Typ-1-Labels, die den strengen Kriterien der ISO Norm 14024 entsprechen, wie zum Beispiel das EU-Ecolabel und der Blaue Engel. Bei der Auswahl des passenden Labels können Unternehmen wie folgt vorgehen:

  1. Stakeholder-Analyse: Unternehmen sollten zunächst relevante Stakeholder definieren, für die die Labels wichtig sind. Dazu gehört die Einordnung ob das Label branchenübergreifende Standards setzen soll oder ob es auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen einer bestimmten Branche zugeschnitten sein muss. Eine klare Kenntnis darüber, was die Zielgruppe verlangt, ist entscheidend für den Invest in Zertifikate und Labels. Bei der Einordnung der Kundensegmente ist die Unterscheidung zwischen B2B und B2C notwendig.
  2. ESG-Ausrichtung: Um die Zertifizierungskriterien eines Labels weiter zu konkretisieren, sollten Unternehmen festlegen, welcher Fokus im Bereich von ESG-Kriterien priorisiert werden soll. Die Bandbreite an Themenbereichen ist hoch, nur wer diese eingrenzt, kann das passende Label finden. Dazu gehört die Identifizierung branchenspezifischer Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen sowie die Festlegung von Mindeststandards und Best Practices.
  3. Kontextualisierung und Auswahl: Wenn Stakeholderanforderungen und die eigene strategische Ausrichtung geklärt sind, sollte im Anschluss eine detaillierte Prüfung der am Markt verfügbaren Labels durchgeführt werden, um eine hohe Güte sicherzustellen. Wirkungsgrad, Qualität und Relevanz am Markt sind entscheidende KPIs, die schließlich bei der Auswahl helfen.

Auswahl von Nachhaltigkeitslabels

Wie können Nachhaltigkeitlabels am besten genutzt werden?

Vertrauenswürdige Nachhaltigkeitslabels können für Unternehmen zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden, sofern die Kunden (B2B und B2C) die Vorteile des entsprechenden Labels nachvollziehen können. Die Präsentation von Nachhaltigkeitslabels sollte sich daher nicht einfach auf Logos beschränken, sondern stets inhaltlich beschrieben und produkt- oder unternehmensspezifisch kontextualisiert werden. Unternehmen können in vertrauenswürdigen Nachhaltigkeitslabels ein wirksames Mittel zur Neukundengewinnung und Kundenbindung gewinnen und sich so von der Konkurrenz abheben. Darüber hinaus ist es für Firmen wichtig, sich durch eine glaubwürdige Zertifizierung im Bereich der Umwelt- und Sozialverantwortung am Markt zu positionieren und dem Risiko von Reputationsschäden durch Umwelt- oder Sozialskandale vorzubeugen.

Kontext Green Claims Directive

Die EU plant mit der Green Claims Directive potenziellem Greenwashing entgegenzuwirken. Die Verordnung soll Mindeststandards festlegen, um umweltbezogene Werbung und Öko-Versprechen zu regulieren und Verbraucher:innen vor irreführenden Umweltaussagen zu schützen. Diese Entwicklungen, kombiniert mit einem wachsenden Druck seitens der Verbraucher:innen lassen darauf schließen, dass Unternehmen sich intensiv mit dem Thema Greenwashing auseinandersetzen müssen.

Produktaussagen zu Nachhaltigkeit auf Produkten müssen zukünftig im Vorfeld geprüft und belegbar sein. Mit dem Inkrafttreten der Green Claims Directive müssten sich alle Labels in Zukunft einer Prüfung unterziehen. Die gute Nachricht ist jedoch, dass es schon heute Label mit sehr hoher Glaubwürdigkeit und bestehender Validierung gibt. So ist etwa das EU-Ecolabel das offizielle Gütesiegel der Europäischen Union für Produkte und Dienstleistungen mit hervorragender Umweltverträglichkeit. Dank strenger und transparenter ökologischer Kriterien hilft das EU-Ecolabel Verbraucher:innen, Einzelhändler:innen und Unternehmen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Mit der neuen europäischen Green Claims Richtlinie gewinnt es weiter an Bedeutung.


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