Leitsatz (amtlich)

Der Insolvenzverwalter kann sich nicht auf die Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO für eine Kenntnis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners stützen, wenn sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners (hier: Sozialversicherungsträger) von der Liquiditätslage des Schuldners darauf beschränkt, dass dieser Sozialversicherungsbeiträge über einen längeren Zeitraum regelmäßig mit einer Verspätung von drei bis sieben Wochen zahlt. Hieraus folgt ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht zweifelsfrei die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 14.03.2014; Aktenzeichen 2 O 297/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 14.3.2014 (2 O 297/13) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G (Schuldnerin) Ansprüche aus Insolvenzanfechtung in Bezug auf Beitragszahlungen an die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerinnen in dem Zeitraum zwischen dem 18.2.2008 und dem 30.3.2011 - soweit es eingangs der Klageschrift und im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils heißt "21.2.2011", trifft dies ausweislich der Klagebegründung nicht zu -, Nutzungsersatz, Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten geltend. Die Schuldnerin beschäftigte 129 Arbeitnehmer, für die sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge an verschiedene Krankenkassen abführte, u.a. auch an die ehemalige A Kasse und die B Kasse, die am 1.1.2010 zur jetzigen Beklagten fusionierten. Die Schuldnerin zahlte an die A bzw. die Beklagte zwischen dem 23.4.2008 und dem 15.6.2011 insgesamt 108.260,64 EUR und an die B bzw. die Beklagte zwischen dem 18.2.2008 und dem 5.5.2011 insgesamt 235.638,77 EUR. Das Insolvenzverfahren wurde auf einen Eigenantrag der Schuldnerin vom 27.6.2011 am 1.8.2011 eröffnet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Betrag von insgesamt 19.008,74 EUR (Beiträge für März und April 2011, gezahlt am 5.5.2011 bzw. 15.6.2011) vorgerichtlich erfolgreich zurückgefordert (Anl. K 3 bis K 6). Er hält die weiteren in den angegebenen Zeiträumen erfolgten Zahlungen wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung für anfechtbar und hat dazu geltend gemacht, die Schuldnerin sei spätestens ab dem 31.12.2007 zahlungsunfähig gewesen. Hiervon habe die Beklagte Kenntnis gehabt, da in strafrechtlich relevanter Weise in 42 Fällen Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht zu den jeweiligen Fälligkeiten gezahlt worden seien. Der Beklagten sei offenbar gewesen, dass die Schuldnerin ihren Zahlungsrückstand wie eine Bugwelle (be)ständig vor sich her geschoben habe, denn es sei ihr seit August 2007 zu keinem Zeitpunkt gelungen, pünktlich zur Fälligkeit einen Beitrag zu leisten. Sie habe daher erkennen müssen, dass die Rückstände kein unwesentlicher Teil der Verbindlichkeiten hätten sein können und dass ein solches Verhalten ein ständiges Operieren am finanziellen Abgrund impliziert habe. Da die Rückstände zum Teil mehr als einen bzw. zwei Monate betragen hätten, müsse es zu Mahnungen und Vollstreckungsandrohungen gekommen sein. Dies könne die Beklagte nicht in zulässiger Weise bestreiten, da sie eingeräumt habe, dass ihre Akten teilweise wegen Ablauf der Aufbewahrungsfristen nicht mehr existierten. Die Beklagte hat eine Kenntnis von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bestritten und geltend gemacht, allein der Umstand, dass fällige Beiträge nicht immer fristgerecht gezahlt worden seien, wobei sich die Verspätungen in einem moderaten Zeitfenster bewegt hätten, rechtfertige nicht zwingend die Annahme, die Schuldnerin sei zahlungsunfähig gewesen. Da die Verspätung bei der Schuldnerin zum "Normalfall" geworden sei, habe sie sich eher als unverdächtig dargestellt und aus ihrer Sicht durchaus auf Nachlässigkeit beruhen können. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen und Sachanträge im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger sei es nicht gelungen, die für einen Anspruch aus § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Kenntnis der Beklagten von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin darzulegen. Zwar könne die verspätete Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wegen der damit verbundenen Strafandrohung ein wesentliches Indiz für die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und entsprechend auch für die Kenntnis der Beklagten darstellen, hier müsse man jedoch berücksichtigen, dass der Rückstand si...

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