Leitsatz (amtlich)
Zur grob fahrlässigen Schadenshaftung des bei Dunkelheit auf der BAB mit einer Geschwindigkeit von ca. 170 km/h hinter mehreren anderen – sich ebenfalls auf der Überholspur befindenden – Fahrzeugen herfahrenden Kfz-Mieters, der wegen Unaufmerksamkeit zu spät bemerkt, dass das vor ihm fahrende Auto den Bremsvorgang eingeleitet hat.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 3 O 6/00) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlussberufung der Klägerin wird das am 27.6.2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Mönchengladbach teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin (weitere) 7.919,26 Euro (= 15.488,72 DM) zu zahlen, nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 1.11.1999 bis 31.12.2001 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 1.1.202.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das LG den Beklagten zur Zahlung i.H.v. 15.488,72 DM verurteilt. In dieser Höhe haftet der Beklagte der Klägerin wegen der Rückgabe des Mietwagens in beschädigtem Zustand aus pVV bzw. § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Die Anschlussberufung ist hinsichtlich des ab 1.1.2002 zu zahlenden erhöhten Zinssatzes teilweise begründet.
A. Berufung des Beklagten
I. Haftung dem Grunde nach
Der Senat lässt offen, ob der Mietvertrag zugunsten des Beklagten eine Haftungsbegrenzung für alle fahrlässig verursachten Schäden enthält. Jedenfalls ist mit dem LG im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte den Verkehrsunfall und die hierauf beruhende Beschädigung des Mietwagens grob fahrlässig verursacht, so dass eine etwaige Haftungsbegrenzung entsprechend Ziff. 11 der dem Vertrag zugrunde liegenden Mietbedingungen der Klägerin wirkungslos bleibt.
Grobe Fahrlässigkeit, hinsichtlich derer dem Vermieter nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast obliegt, setzt die gesicherte Feststellung einer besonders schwerwiegenden Verletzung der verkehrserforderlichen Sorgfalt voraus und ist daher nur dann gegeben, wenn das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, weil einfache, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt worden sind. Dabei ist auch subjektiven Umständen in der Weise Rechnung zu tragen, dass dem Handelnden nur ein besonders schweres Verschulden anzulasten ist (vgl. z.B. OLG Düsseldorf v. 22.6.1995 – 10 U 133/94, MDR 1995, 1122 = OLGReport Düsseldorf 1995, 272 = VersR 1997, 77; v. 5.12.1996 – 10 U 213/95, MDR 1997, 350 = OLGReport Düsseldorf 1997, 43 = BB 1997, 702 = ZMR 1997, 141 = DWW 1997, 148; v. 13.2.1997 – 10 U 33/96, MDR 1997, 450 = OLGReport Düsseldorf 1997, 222 = ZMR 1997, 228 = NJWEMietR 1997, 152 = DWW 1998, 51; ZMR 2000, 174; Urt. v. 6.12.2001 – 10 U 123/00, OLGReport Düsseldorf 2002, 123; vgl. auch OLG Köln v. 13.1.1982 – 2 U 77/81, OLGZ 82, 371 = MDR 1982, 579; Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 277 BGB Rz. 2 und Riedmaier „Zur groben Fahrlässigkeit im Straßenverkehr” VersR 1981, 10).
Ob diese Voraussetzungen bereits aus dem Umstand abzuleiten sind, dass das LG nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme mit durchweg tragfähiger und überzeugender Beweiswürdigung eine Übermüdung des Beklagten im Unfallzeitpunkt festgestellt hat, mag dahinstehen. Jedenfalls ist dem Beklagten anzulasten, dass er mit ca. 170 km/h auf das Fahrzeug des Zeugen Mindermann aufgefahren ist, weil er nicht oder nicht rechtzeitig bemerkt hat, dass dieser verkehrsbedingt auf ca. 120 hm/h herunterbremsen musste. Dieses Verhalten des Beklagten ist den konkreten Umständen nach als grob fahrlässig einzustufen, weil der Beklagte dasjenige unterlassen hat, was im konkreten Fall jedem anderen Verkehtsteilehmer hätte einleuchten müssen. Wer wie der Beklagte bei Dunkelheit auf der BAB mit einer Geschwindigkeit von ca. 170 km/h hinter mehreren anderen – sich ebenfalls auf der Überholspur befindenden – Fahrzeugen herfährt, muss mit plötzlichen verkehrsbedingten Bremsmanövern rechnen und sein Fahrverhalten hierauf einstellen. Neben einem ausreichenden Abstand muss er die vorausfahrenden Fahrzeuge fortwährend sorgfältig und konzentriert beobachten und jederzeit bremsbereit sein. Kommt er diesen Anforderungen nicht nach, liegt hierin eine schwere Sorgfaltspflichtverletzung, die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Beklagte grob fahrlässig gehandelt. Bei einem typischen Auffahrunfall, wie er unstreitig anzunehmen ist, spricht nach gefestigter Rechtsprechung der Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende entweder durch einen ungenügenden Sicherheitsabstand (§ 4 Abs. 1 S. 1 StVO), durch unangepasste Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) oder/und durch allgemeine Unaufmerksamkeit (§ 1 Abs. 2 StVO) den Unfall verursacht und verschuldet hat (B...