Überholen von Müllfahrzeug - Worauf ist zu achten?

Autofahrer müssen beim Überholen von Müllfahrzeuge im Einsatz besonders vorsichtig sein. Eine reduzierte Geschwindigkeit und ein angemessener Seitenabstand sind die zwei wesentlichen Punkte. Die Anforderungen können aber je nach der Verkehrssituation unterschiedlich sein.

Eine Mitarbeiterin eines Pflegedienstes, die gerade dabei war, ein mit laufendem Motor stehendes Müllfahrzeug zu überholen, kollidierte mit einem Müllcontainer, den einer der Arbeitskräfte hinter dem Fahrzeug über die Straße schob. Der Müllwagen war offensichtlich im Einsatz – die gelben Rundumleuchten blinkten, die Warnblinkanlage war an und die Trommel/Schüttung des Fahrzeugs lief ebenfalls.

Zwei Meter Abstand beim Überholgen eines Müllfahrzeugs Pflicht?

Vor Gericht musste die Haftungsfrage geklärt werden. Das Landgericht (LG) kam zu einer hälftigen Haftungsverteilung. Begründung: Autofahrende, die ein Müllfahrzeug passieren wollen, müssen einen Mindestabstand von zwei Metern oder Schrittgeschwindigkeit einhalten. Dies sei hier nachweislich nicht der Fall gewesen. Ein Sachverständiger hatte ermittelt, dass die Autofahrerin in einem Abstand von 50 Zentimetern an dem Müllfahrzeug vorbeigefahren war, bei einer Geschwindigkeit von wahrscheinlich 13 km/h.

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle kam zu einer anderen Einschätzung und sah bei der Autofahrerin nur eine Haftung von 25 Prozent. Bei ihr sei lediglich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs anzusetzen. Ein Verkehrsverstoß sei ihr nicht anzulasten.

OLG Celle: Auch Müllmänner im Einsatz müssen auf den Verkehr achten

Dem beklagten Müllmann sei eine Sorgfaltspflichtverletzung anzulasten, so das Gericht. Er habe den Müllcontainer quer über die Straße geschoben, ohne auf das Fahrzeug der Mitarbeiterin des Pflegedienstes zu achten, wobei das Fahrzeug nach Einschätzung des Sachverständigen für ihn erkennbar gewesen wäre.

Die Privilegierung von Müllfahrzeugen hat ihre Grenzen

Insbesondere begründe die Privilegierung von Müllfahrzeugen (§ 35 Abs. 6 StVO) keine Befreiung vom allgemeinen Rücksichtsnahmegebot des § 1 StVO. Nach § 35 Abs. 6 StVO ist es Müllfahrzeugen lediglich erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen überall und in jede Richtung zu fahren. § 1 StVO sei auch von Müllfahrzeugen im Einsatz zu beachten.

Zwar gebe es diverse Urteile, nach denen an Müllfahrzeugen im Einsatz nur langsam, d. h. in der Regel in Schrittgeschwindigkeit oder mit zwei Meter Sicherheitsabstand vorbeigefahren werden dürfe. Von Rechts wegen sei es aber nicht geboten, dass sie grundsätzlich nur in der oben beschriebenen Weise überholt werden dürften.

Überholen von Müllfahrzeugen: Reduzierung der Geschwindigkeit ist eine Mindestvoraussetzung

Letztlich seien die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Im konkreten Fall hatte der Gutachter ausgeführt, dass es der Autofahrerin nur möglich war, in einem wesentlich geringeren Abstand als zwei Metern an dem Müllfahrzeug vorbeizufahren. Sie war deshalb verpflichtet, ihre Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren. Das hat sie aber auch getan. Statt der allgemein zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h am Unfallort, fuhr sie nur 13 km/h.

Sicherheitsabstand von zwei Metern war für Autofahrerin nicht möglich

In Anbetracht der Umstände könne die Geschwindigkeit, mit der die Frau das Müllfahrzeug überholt hatte, nicht als zu hoch angesehen werden, der Sicherheitsabstand von zwei Metern war nicht möglich. Die Autofahrerin sei aber auch nicht verpflichtet gewesen, mit dem Passieren des Müllfahrzeugs zu warten.

Bei dem Müllwerker sah das Gericht ein erhebliches Verschulden. Zwar sei ihm zuzubilligen, dass er im Einsatz die Sorgfaltspflichten nicht in gleichem Maße einhalten könne wie andere Verkehrsteilnehmer, da er ansonsten seine Tätigkeit nur erheblich langsamer verrichten könne.

Allerdings habe er aber offensichtlich nicht auf den Verkehr geachtet, als er den schweren Container hinter dem Fahrzeug hervorschob. Entsprechend sah das Gericht bei ihm eine Haftung von 75 Prozent.

(OLG Celle, Urteil v. 15.02.2023, 14 U 111/22)