Rechtsabbieger mit Linksdrall: Überholen verboten
Ein Autofahrer war dabei, nach rechts in sein Grundstück abzubiegen. Er reduzierte die Geschwindigkeit, setzte den Blinker rechts, lenkte sein Fahrzeug aber links zur Fahrbahnmitte hin. Ein anderer Autofahrer setzte zu diesem Zeitpunkt an, den Abbieger links zu überholen. Der schwenkte noch weiter nach links und es kam zur Kollision. Vor Gericht musste die Haftungsfrage geklärt werden.
Mit minimalem Abstand und hoher Geschwindigkeit überholt
Der Kläger, Lenker des überholenden Fahrzeugs, machte geltend, dass er beim Überholen nur geringfügig schneller gefahren sei als das Beklagtenfahrzeug und machte einen Schaden in Höhe von gut 7.700 EUR geltend. Nach Aussagen des Beklagten, stellte sich die Situation allerdings komplett anders dar. Der Kläger sei mit minimalem Abstand an seinem Auto vorbeigeschossen. Bei seinem Linksschwenk habe es sich um einen üblichen Vorgang zum besseren Abbiegen in die Einfahrt gehandelt.
Das Landgericht (LG) hatte bei dem Beklagten noch eine Haftungsquote von 60 Prozent gesehen. Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig kam zu einer anderen Einschätzung und legte die Haftungsverteilung auf 40 zu 60 zulasten des überholenden Klägers fest.
Rechtsabbieger müssen sich möglichst weit rechts einordnen
Zwar habe der Abbieger mit seinem Ausholen nach links gegen das Gebot verstoßen, ein Fahrzeug vor dem Rechtsabbiegen möglichst weit rechts einzuordnen (§ 9 Abs. 1 S. 2 StVO). Zumindest mit seinem zweiten Linksschwenk habe er andere Verkehrsteilnehmer gefährdet.
Verfehlungen des überholenden Fahrers
Allerdings müsse sich der Fahrer des überholenden Fahrzeugs folgende Verfehlungen vorwerfen lassen:
- Er habe keinen Blinker gesetzt und damit gegen die Pflicht zur Ankündigung des Überholens via Fahrtrichtungsanzeiger verstoßen (§ 5 Abs. 4a StVO).
- Zudem sei er sehr nah aufgefahren und habe dann Gas gegeben, um „wie wild an ihm vorbeizuziehen".
- Der Abstand zum Fahrzeug des Beklagten sei zudem sehr gering gewesen.
- Zudem habe der Kläger bei unklarer Verkehrslage überholt und damit auch gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen. Das Überholen war für ihn in der konkreten Situation unzulässig, so das OLG.
Fazit: Den Abbiegenden traf zwar der verschärfte Haftungsmaßstab des § 9 Abs. 5 StVO, wonach man sich beim Abbiegen in ein Grundstück so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Allerdings wiegt das unzulässige und gefährliche Überholen des Klägers unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO noch schwerer.
(OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 6.2.2024, 7 U 94/23)
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