Leitsatz (amtlich)

1. Im Zusammenhang mit der Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens durch das StSenkG vom 23.10.2000 war ein Steuerberater bereits seit der Verabschiedung des Entwurfs vom 9.2.2000 gehalten, sich aus allgemein zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt zu unterrichten, um nach Verabschiedung des Gesetzes rechtzeitig klären zu können, ob es geboten war, seinen Mandanten Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile anzuraten.

Drohten einem Mandanten Nachteile, musste er diesen bei einem umfassenden Steuerberatermandat auch ohne Sonderauftrag beraten.

2. Im Zusammenhang mit der Beratung über erhebliche Gewinnausschüttungen einer GmbH auf ihren Anteilseigner, auf die das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren noch anwendbar war, musste der Steuerberater seinen Mandanten auch darauf hinweisen, dass trotz der Anrechnung des Körperschaftsteuerguthabens der GmbH auf dessen Einkommensteuer die Kirchensteuer nach der ungekürzten Einkommensteuer berechnet wird. Die Beratung über den Anfall der Kirchensteuer war nicht davon abhängig, ob für den Steuerberater die Bereitschaft des Mandanten zum Kirchenaustritt erkennbar war. Gab der Mandant darauf zu erkennen, dass er einen Kirchenaustritt erwäge, musste der Steuerberater den Mandanten auch über die Einzelheiten der landesrechtlichen Vorschrift des KiStG zum Kirchenaustritt belehren.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 05.08.2004; Aktenzeichen 14d O 142/03)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 5.8.2004 wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung der Kläger wird das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 5.8.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 17.858,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.6.2003 zu zahlen. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des 1. Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des 2. Rechtszuges fallen dem Beklagten zur Last.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die klagenden Eheleute nehmen den Beklagten wegen positiver Verletzung des Steuerberatervertrages auf Ersatz von Kirchensteuern in Anspruch, die das Finanzamt gegen sie für das Veranlagungsjahr 2001 festsetzte.

Der Beklagte war bereits mehrere Jahre umfassend mit der steuerlichen Beratung der Kläger und mehrerer Kapital- und Personengesellschaften, an denen der klagende Ehemann beteiligt war, darunter die S und F GmbH, beauftragt, als am 23.10.2000 der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung - StSenkG - beschloss. Durch dieses Gesetz wurde u.a. das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren (§§ 27 f. KStG a.F., § 20 Abs. 1 Nr. 3, § 36 Abs. 3 Nr. 3, §§ 36a ff. EStG) abgeschafft, allerdings mit einer Übergangsregelung für Ausschüttungen aus Wirtschaftsjahren vor dem 1.1.2002. An seine Stelle trat auf der Ebene der Kapitalgesellschaft eine Definitivbesteuerung einbehaltener und ausgeschütteter Gewinne und auf der Ebene der einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner (natürliche Personen) das Halbeinkünfteverfahren. Das StSenkG wurde im BStBl. I vom 14.11.2000 veröffentlicht.

Bei der S. und F. GmbH waren seit 1991 in beträchtlichem Umfang Gewinne thesauriert worden, die zum 31.12.2000 1.926.203,23 DM betrugen. Anlässlich der Besprechung vom 10.12.2001 riet der Beklagte zu einer Ausschüttung der thesaurierten Gewinne noch im Dezember 2001. Er gab bei dieser Gelegenheit dem klagenden Ehemann die Information, dass die mit der Ausschüttung verbundene Einkommensteuerbelastung durch die anrechenbaren Körperschaft- und Kapitalertragsteuern im Wesentlichen kompensiert würde. Die mit der Ausschüttung verbundene Kirchensteuer erwähnte der Beklagte nicht.

Auf den Rat des Beklagten nahm die GmbH noch im Dezember 2001 eine Ausschüttung vor; auf den klagenden Ehemann entfiel ein Ausschüttungsbetrag von 1.625.000 DM. Dieser Ausschüttungsbetrag wurde im Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Soest vom 22.5.2003 für das Veranlagungsjahr 2001 dem zu versteuernden Einkommen der zusammen veranlagten Kläger hinzugerechnet. Die festgesetzte Einkommensteuer von 975.957 DM wurde um anzurechnende Steuerabzugsbeträge (u.a. 287.511 DM Kapitalertragsteuer und 492.826 DM Körperschaftsteuer) auf 58.138 DM vermindert. Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer war eine Einkommensteuer von 966.231 DM. Es wurden evangelische Kirchensteuern von 22.231,28 EUR und katholische Kirchensteuern von 22.231,17 EUR festgesetzt. Nach Abzug der bereits vom Lohn der Kläger abgezogenen Kirchensteuer wurd...

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