Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 3 O 311/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Mönchengladbach, 3. Zivilkammer, teilweise abgeändert und - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.039,49 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.10.2020, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeuges VW Tiguan 2.0 TDI, ..., zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Klage in Höhe von weiteren 1.144,27 EUR (Nutzungsentschädigung für den Zeitraum ab dem 02.03.2021 bis zum 21.12.2021) in der Hauptsache erledigt ist.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin weitere 1.211,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.10.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines von der Beklagten hergestellten Neuwagens, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 Euronorm 5 ausgestattet ist.
Die Klägerin erwarb bei der Firma A. GmbH & Co. KG mit Bestellung vom 02.10.2012 das von der Beklagten hergestellte Neufahrzeug VW Tiguan 2.0 TDI, ..., zu einem Kaufpreis von 42.544,00 EUR. Zum 01.03.2021 wies das streitgegenständliche Fahrzeug einen Kilometerstand von 113.766 auf. Die in den hergestellten Motoren der Baureihe EA 189 verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird, und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgebend war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxid-Grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten. Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung der vorbeschriebenen Software in den Dieselmotoren der Baureihe EA 189 ein. Unter dem 15.10.2015 erging gegen sie deshalb ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Zu diesem Zweck entwickelte die Beklagte eine technische Maßnahme ("Update"), die sicherstellt, dass die Abgasrückführung nur noch in einem einheitlichen Betriebsmodus arbeitet. Für die technische Maßnahme betreffend das streitgegenständliche Fahrzeug erteilte das KBA eine Freigabebestätigung.
Mit Informationsschreiben von Februar 2016 wurden die Halter der betroffenen Fahrzeuge informiert. Das Update wurde auf dem klägerischen Fahrzeug aufgespielt.
Im Jahr 2019 meldete die Klägerin Ansprüche zum Klageregister des Musterfeststellungsverfahrens 4 MK 1 / 18 vor dem Oberlandesgericht Braunschweig an. Dabei gab sie Folgendes an:
"Ich habe am 28.11.2012 einen VW Tiguan 2.0 Diesel erworben. Ich beanspruche eine Rücknahme des Fahrzeuges und Erstattung des Kaufpreises."
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass ihr Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB nicht verjährt sei. Sie habe sich rechtzeitig und rechtlich einwandfrei dem Musterfeststellungsverfahren 4 MK 1 / 18 vor dem Oberlandesgericht Braunschweig angeschlossen, so dass die Verjährung gehemmt worden sei. Darüber hinaus stehe ihr im Falle der Verjährung ein Anspruch aus § 852 BGB zu.
Bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung sei von einer Gesamtfahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 400.000 km auszugehen.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat behauptet, die Klägerin habe sich nicht ordnungsgemäß zum Musterfeststellungsverfahren angemeldet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen U...