Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zulässigkeit von Gaspreiserhöhungen unter Berücksichtigung des Urteils des BGH vom 31.7.2013 (VIII 162/09, BGHZ 198, 111) 2. Soweit der Gasabnehmer Arbeitspreise in bestimmter Höhe "unter Vorbehalt toleriert" hat, will er damit regelmäßig lediglich die Wirkungen des § 814 BGB ausschließen und sich den Anspruch aus § 812 BGB für den Fall vorbehalten, dass er zu einem späteren Zeitpunkt das Nichtbestehen der Forderung belegen kann, nicht aber unter der Bedingung des Bestehens der Forderung leisten und vom Gasversorger weiterhin den Beleg für das Bestehen der Forderung verlangen.
3. Die Darlegungs- und Beweislast für den Erfüllungseinwand (§ 362 BGB) bzw. den Einwand einer ihren angeblichen Tilgungsbestimmungen widersprechenden, unzulässigen Verrechnung seitens des Gasversorgers (§ 366 BGB) trifft insoweit zunächst den Gasabnehmer, der alle Zahlungen, die er als Erfüllung auf die streitgegenständlichen Rechnungen bzw. Forderungen (über die bereits berücksichtigten Zahlungen) angerechnet wissen will, mit den jeweiligen etwaigen Tilgungsbestimmungen rechnungsbezogen und in übersichtlicher Form darzustellen und durch Vorlage entsprechender Belege unter Beweis zu stellen hat.
4. Die Darlegungslast des Gasabnehmers für den Einwand einer weiter gehenden Erfüllung bzw. einer tilgungsbestimmungswidrigen Verrechnung von Zahlungen seitens des Gasversorgers ist erhöht, wenn er im Rahmen des außergerichtlichen Schriftverkehrs wiederholt Verrechnungen (auch mit angeblichen Überzahlungen) bzw. Kürzungen von Abschlagszahlungen vorgenommen hat.
5. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, sich aus umfangreichen, wegen Mängeln (fehlender Rechnungsbezug) nur unzureichend nachvollziehbaren und auch nicht durch notwendigen Sachvortrag der Gasabnehmers substantiiert und schlüssig erläuterten Anlagen bzw. Anlagenkonvoluten für diesen günstige Tatsachen bzw. ihm günstiges Zahlenwerk erstmals heraus- bzw. zusammen zu suchen.
6. Der im Rahmen der demgemäß ab 1.1.2011 geltenden Bedingungen der Grundversorgung geltende "Anfangspreis" bzw. "Sockelpreis" unterliegt nicht der Billigkeitsprüfung gem. § 315 Abs. 3 BGB, weil er zwischen den Parteien bei Vertragsschluss - selbst bei Widerspruch des Gasabnehmers - als konkludent vereinbart gilt.
7. Eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 315 Abs. 3 BGB kommt selbst bei einer Monopolstellung des Gasversorgers im Zeitpunkt des (konkludenten) Vertragsschlusses nicht in Betracht, da der Gesetzgeber für die Elektrizitäts- und Gasversorgung eine Preiskontrolle des "Anfangspreises" im Rahmen der Grundversorgung ausschließlich durch eine Verschärfung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht beabsichtigt.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 13.12.2012; Aktenzeichen 4 O 231/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 13.12.2012 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 15.086,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.583,70 EUR seit dem 20.2.2010, aus 11.058,82 EUR seit dem 15.2.2011 und aus 2.443,88 EUR seit dem 9.4.2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zu 57 % der Beklagten und zu 43 % der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Entgelte für Gaslieferungen an die Beklagte i.H.v. insgesamt 26.175,85 EUR nebst zeitlich gestaffelten Zinsen sowie weiteren Zinsen aus weiteren - nach Klageerhebung am 11.3.2009 von der Beklagten gezahlten - 192,72 EUR (Restbetrag aus Nachberechnung zur vertraglich vereinbarten Mindestabnahmemenge 2006 vom 27.11.2007, 30 GA, insoweit einseitige Teilerledigungserklärung der Klägerin 113 GA) geltend, wobei sich der Betrag zur Hauptsache wie folgt zusammensetzt (vgl. 115/116 GA):
aus Rechnung vom 28.1.2008 (31 GA) (Zeitraum 11.08.-31.12.2007) 1.081,09 EUR
aus Rechnung vom 5.2.2009 (167 ff. GA) 3.575,29 EUR
(Zeitraum 01.01.-31.12.2008) aus Nachberechnung vom 10.3.2009 (166 GA) 611,35 EUR
(Nachtrag zur vertraglich vereinbarten Mindestab-
nahmemenge für 2008) aus Rechnung vom 5.2.2010 (169 ff. GA) 6.383,84 EUR
(Zeitraum 01.01.-31.12.2009) aus Rechnung vom 31.1.2011 (171 ff. GA) 12.080,40 EUR
(Zeitraum 01.01.-31.12.2010) aus Rechnung vom 25.3.2011 (173 ff. GA) 2.443,88 EUR
(Zeitraum 01.01.-28.2.2011) Summe 26.175,85 EUR
Wegen weiterer Einzelheiten wird gem. § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, die Erdgaspre...