Leitsatz (amtlich)
1. Kosten des Wachdienstes sind als sonstige Kosten im Sinne der Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV auch in Mietverhältnissen über Geschäftsräume nur umlagefähig, wenn sie in der Umlagenvereinbarung als solche ausdrücklich genannt sind.
2. In der jahrelangen vorbehaltlosen Zahlung vertraglich nicht geschuldeten Nebenkostenpositionen allein kann ohne weitere Umstände eine stillschweigende vertragliche Erweiterung der umlagefähigen Nebenkosten nicht gesehen werden.
3. Hauswartkosten sind grundsätzlich umlagefähig, müssen aber nachvollziehbar so aufgeschlüsselt sein, dass nicht ansetzbare Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung (einschl. Kleinreparaturen) und Kosten für Verwaltungstätigkeiten, ggf. auch im Wege der Schätzung herausgerechnet werden können.
4. Bei einem Gewerberaummietvertrag benachteiligt die formularvertragliche Beteiligung von Beteiligung des Mieters von Erdgeschossräumen an den Aufzugskosten diesen nicht unangemessen.
5. Bei einem Gewerberaummietvertrag ist die formularvertragliche Umlage von Kosten der "kaufmännischen und technischen Hausverwaltung" nicht überraschend und beteiligt den Mieter nicht unangemessen.
6. Das Wirtschaftlichkeitsgebot bezeichnet die vertragliche Nebenpflicht des Vermieters, den Mieter nur mit Nebenkosten belasten, die erforderlich und angemessen sind, und verpflichtet den Vermieter zur Freistellung des Mieters von in diesem Sinne unnötigen Kosten.
7. Der Mieter muss selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag auch im Hinblick auf die übernommenen Betriebskosten für ihn vorteilhaft ist, sich insbesondere umfassend informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen stellen.
8. Die Höhe der vereinbarten Vorauszahlungen schafft noch keinen Vertrauenstatbestand für die Gesamthöhe der Betriebskosten mit der Folge, dass der Mieter auf ein zu erwartendes Abrechnungsergebnis schließen dürfte.
Normenkette
BGB § 535; II. BerVO Anl. 3 § 27
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 15.04.2011; Aktenzeichen 1 O 58/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 15.4.2011 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.798,47 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.3.2011 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, eine der Höhe nach angepasste Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. monatlich 1.800 EUR brutto an die Klägerin zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Beklagte 85 % und die Klägerin 15 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Nebenkosten aus einem gewerblichen Mietverhältnis über Geschäftsräume.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Geschäftshauses mit Einkaufspassage in K.. Mit Gewerberaummietvertrag vom 22./24.8.2006 vermietete sie eine Teilfläche dieses Gewerbeobjekts zum Vertrieb von Obst und Gemüse (Lebensmittel) an den Beklagten. Nach § 6 Nr. 1 des Mietvertrags beträgt der Mietzins für die gesamte Mietfläche gem. § 1.2 des Vertrags 12 EUR pro m2 Mietfläche im Erdgeschosses und 1,50 EUR pro m2 Mietfläche im Obergeschoss monatlich zzgl. Mehrwertsteuer
Der Mietvertrag enthält ferner eine formularmäßige Verpflichtung zur Übernahme von Nebenkosten. Die betreffende Vertragsklausel (§ 8) lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 8
Nebenkosten
8.1 Zusätzlich zum Mietzins trägt der Mieter für das Mietobjekt gem. § 1 die folgenden Kosten:
- Stromkosten des Mietobjekts
- die Kosten der Wasserversorgung und der Entwässerung
- die Kosten des Betriebes und der Wartung der Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlage
- die Kosten des Betriebes und der Wartung von Aufzügen, Lüftungs- und Sprinkleranlagen
- die Kosten der Straßenreinigung und Müllabfuhr
- die Kosten der Pflege der Außenanlagen
- die Kosten der Beleuchtung und Belüftung
- die Kosten der Schornsteinreinigung
- die Kosten für Versicherungen
- die Kosten für Streudienst und Schneeräumung
- die Kosten der Geschäfts- u. Hausverwaltung
- und sonstige Betriebs- und Wartungskosten, aufgeführt in Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der zweiten Berechnungsverordnung.
...
8.3 Auf die nicht direkt abgerechneten Nebenkosten leistet der Mieter ab Mietbeginn eine monatliche, zusätzlich zur Grundmiete fällige, Vorauszahlung i.H.v. EUR 2,50/qm zzgl. Mehrwertsteuer. Die angefallenen Nebenkosten werden auf die jeweils vermieteten Flächen umgelegt. Nach Abschluss der ersten Jahresabrechnung der Nebenkosten hat der Vermieter das Recht, die Höhe des monatlichen Nebenkostenbeitrages den tatsächlich anf...