Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit der Rücknahme eines Rechtsmittels im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 23.08.2006; Aktenzeichen 52 F 2260/04 UG) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Darmstadt vom 23.8.2006 wird als unzulässig verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Der Antragsteller hat die außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin zu tragen.
Beschwerdewert: 3.000 EUR.
Gründe
I. Mit Schriftsatz seiner vormaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 27.9.2006 legte der Antragsteller rechtzeitig befristete Beschwerde gegen den am 28.8.2006 zugestellten Umgangsbeschluss des AG - FamG - Darmstadt vom 23.8.2006 ein.
Vor Ablauf der Begründungsfrist beantragte die vormalige Verfahrensbevollmächtigte mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 30.10.2006, einem Montag, die Frist zur Beschwerdebegründung um einen Monat, bis zum 30.11.2006, zu verlängern. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 31.10.2006 wurde die Frist antragsgemäß verlängert.
Am 30.11.2006 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers im Einverständnis mit der Beschwerdegegnerin erneut die Verlängerung der Begründungsfrist bis 2.1.2007.
Auch diesem Antrag wurde mit Verfügung des Vorsitzenden des Senats vom 1.12.2006 entsprochen.
Die Schreiben vom 2.12.2006 - Eingang am 4.12.2006 - erklärte der Antragsteller die Zurücknahme der Beschwerde mit der Begründung, seine Verfahrensbevollmächtigte habe es versäumt, die Beschwerde innerhalb der gesetzlichen Frist zu begründen, weshalb im Übrigen auch die Vertretung durch die vormalige Verfahrensbevollmächtigte ab sofort beendet sei.
Mit Schreiben vom 10.12.2006 erklärte der Antragsteller, er wolle "an der Beschwerde festhalten", die Rücknahmeerklärung werde vorsorglich angefochten.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
Soweit das Schreiben vom 10.12.2006 in eine (erneute) befristete Beschwerde umgedeutet werden kann, ist die Rechtsmittelfrist abgelaufen.
Die mit Schreiben vom 2.12.2006 erklärte Zurücknahme der Beschwerde vom 27.9.2006, für die in Familiensachen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 78 Abs. 2, 3 ZPO kein Anwaltszwang besteht, ist wirksam und unwiderruflich.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Zurücknahme des Rechtsmittels nicht durch Widerruf oder Anfechtung wirkungslos geworden. Die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln sind auf Prozesshandlungen weder direkt noch entsprechend anwendbar (BGH, Beschl. v. 13.12.2006 - XII ZB 71/04, FamRZ 2007, 375 mit weiterem Nachweis zur ständigen Rechtsprechung).
Dies soll selbst dann gelten, wenn die Rücknahmeerklärung durch einen Rechtsanwalt erfolgt ist, dem das Mandat bereits gekündigt worden war und der überdies eine zuvor erfolgte Anweisung des vormaligen Mandanten falsch verstanden hatte (BGH, Beschluss u. Urt. v. 6.12.1989 - IV b ZB 106/89, FamRZ 1990, 388).
Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift über den Widerruf des Geständnisses (§ 290 ZPO) kommt nicht in Betracht. Das Geständnis betrifft ausschließlich den Tatsachenvortrag und es ist damit mit der Prozesshandlung, die unmittelbar auf die Anhängigkeit bzw. Rechtshängigkeit des Verfahrens einwirkt, also hier das Verfahren beendet, ohne dass es auf den tatsächlichen Streitstoff noch ankommen würde, nicht vergleichbar.
Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung lediglich in einem Einzelfall zugelassen, in dem die Rücknahmeerklärung zu dem wirklichen Willen des Rechtsmittelführers in Widerspruch stand und der Irrtum des Prozessbevollmächtigten, auf dem die Erklärung beruhte, für den Rechtsmittelgegner und das Gericht ganz offensichtlich war, weil dem zuständigen Rechtsmittelgericht bei Eingang der zunächst irrtümlich bei einem anderen Gericht eingereichten und dort zurückgenommenen Berufung bereits eine erneute Berufungsschrift mit einem Wiedereinsetzungsgesuch vorlag. In diesem Fall hat der BGH entschieden, der Gegner könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die Rücknahme berufen, diese sei daher als unwirksam zu behandeln (BGH, Urt. v. 21.3.1977 - II ZB 5/77, VersR 1977, 574).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, die Sachlage ist nicht vergleichbar.
In dem vorgenannten Fall war zum Zeitpunkt, mit dem die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung hätte eintreten können, nicht nur der Irrtum, auf dem diese Erklärung beruhte, offenkundig, sondern es lag bereits eine eindeutig gegenläufige Prozesshandlung des Rechtsmittelführers bei dem Rechtsmittelgericht vor. Gegenstand der ausdrücklich nur auf diesen Ausnahmefall bezogenen Entscheidung des BGH war die Berufung gegen ein Urteil des AG Hamburg als Schifffahrtsgericht.
Irrtümlich hatte der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelführers die Berufung nicht bei dem hier nach dem Instanzenzug zuständigen OLG, sondern bei dem LG Hamburg eingelegt. Als er den Irrtum bemerkt hatte, e...