Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Testamentsformulierung

 

Normenkette

BGB §§ 2065, 2075, 2084, 2193

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Aktenzeichen 30.9.2015)

 

Tenor

Die Testamentsformulierung "Mein Vermögen soll in eine Stiftung für einen guten Zweck eingehen und ein Teil zur Sanierung eines sakralen Baues" enthält keine Erbeinsetzung der Stadt, in der die Erblasserin zuletzt über Jahrzehnte hinweg lebte.

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) gegebenenfalls im Verfahren der Beschwerde entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten. Eine darüber hinausgehende Aufwendungserstattung im Verfahren der Beschwerde findet nicht statt.

Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf bis 1.550.000,00 Euro festgesetzt.

Die Anträge der Beteiligten zu 2) und 3) vom 17.11.2015 auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Mit notariellem Testament vom 08.12.1970 haben sich die Erblasserin und ihr am ....1985 vorverstorbener Ehemann gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt, ohne allerdings weitere Verfügungen zu treffen (Bl. 6 d.A.).

Die Eltern der kinderlos verstorbenen Erblasserin hatten neben dieser noch ein weiteres Kind, den Bruder der Erblasserin; Eltern und Bruder sind bereits vorverstorben. Bei den Beteiligten zu 2) und 3) handelt es sich um die einzigen Kinder des Bruders der Erblasserin.

Die Erblasserin hat unter dem Datum des 25.03.2003 zwei inhaltsgleiche, am 10.01.2014 vom Nachlassgericht eröffnete handschriftliche Testamente errichtet, auf die Bezug genommen wird (Bl. 37 f und 41 f d.A.). Diese wurden den darin genannten "Nichten und Neffen" zur Kenntnisnahme übersandt. Das eine der Testamente wurde von dem Bestattungsinstitut an das Nachlassgericht übersandt, das andere hat die gesetzliche Betreuerin der Erblasserin dem Nachlassgericht übergeben. Die Testamente haben auszugsweise folgenden Inhalt:

"Testament

Mein letzter Wille ist es, daß nach meinem Tod aus meinem Nachlass

mein Neffe Vorname1 A ...

meine Nichte C, geb. A

meine Nichten

B, geb. D...

E...

F...

je EUR 10.000.- erben sollen.

Meine Eigentums-Wohnungen in Stadt1, G-Straße ... und H-Straße ... sowie in Stadt2, I-Str. ... sollen meistbietend verkauft werden.

Mein Vermögen soll in eine Stiftung für einen guten Zweck eingehen und ein Teil zur Sanierung eines sakralen Baues.

Ich hoffe, später noch nähere Anweisungen erteilen zu können.

Die in meinen Wohnungen befindlichen Sachen sollen je nach Interesse unter die aufgeführten Verwandten verteilt werden, der zum Teil sehr wertvolle Schmuck ebenfalls....".

Bei den mit "meine Nichten" bezeichneten B, E und F soll es sich um Verwandte des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin handeln.

Mit Beschluss vom 10.01.2014 ist der Beteiligte zu 4) zum Nachlasspfleger mit den Wirkungskreisen Ermittlung der Erben und Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bestellt worden (Bl. 28 d.A.). Unter dem 13.02.2014 (Bl. 68 d. A.) hat er dem Nachlassgericht mitgeteilt, die Erblasserin habe in ihrem Testament bestimmt, dass ein Neffe und vier Nichten jeweils 10.000 EUR erhalten sollen, ansonsten sei das Testament völlig unklar; es komme sowohl die Gründung einer Stiftung als auch gesetzliche Erbfolge in Betracht. Drei der beteiligten Personen seien bereits mit der Bitte um Erfüllung der Barvermächtnisse an ihn herangetreten. Nach Prüfung der Rechtslage beabsichtige er, die fünf Barvermächtnisse zu erfüllen. Mit Schreiben vom 17.06.2014 an das Nachlassgericht, auf das wegen der ausführlichen Argumentation im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 145 ff d.A.), hat er mitgeteilt, nach seiner Auslegung sei die Stadt1, also die Beteiligte zu 1), als Alleinerbin anzusehen. Zwar könne eine Umdeutung der fünf im Testament genannten Personen von Vermächtnisnehmern zu Erben in Betracht kommen, wofür auch die Formulierung der Erblasserin "erben" spreche. Dem stünden jedoch zum einen die gesetzlichen Wertungen in § 2087 BGB entgegen; zum anderen sei die Unbestimmtheit der Zweckbestimmung ("guter Zweck") problematisch. Zwar sei die Rechtsprechung bei der Genauigkeit der Zweckbestimmung im Rahmen des § 2193 BGB großzügig; ob die von der Erblasserin gewählte, recht vage Formulierung allerdings als gerade noch ausreichend bestimmt erachtet werden könne, sei fraglich. Komme man daher zu dem Ergebnis, dass die in §§ 2087, 2065 Abs. 2 BGB festgelegten Grenzen die vorbeschriebene Auslegung nicht zuließen oder letztlich kein eindeutiges Auslegungsergebnis zu erzielen sei, so sei die Zweifelsregelung des § 2072 BGB heranzuziehen. Auf den ersten Blick lasse sich die von der Erblasserin getroffene Verfügung zu Gunsten "einer Stiftung für einen guten Zweck" nur schwer unter § 2072 BGB subsumieren. Es sei jedoch anerkannt, dass der Grundgedanke der Vorschrift, Verfügungen, mit denen der Erblasser karitative Zwecke verfolge, möglichst zu rechtlicher und tatsächlicher Wirkung zu verhelfen, auch auf verwandte Fälle anwendbar sei. Die - gegebenenfal...

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