Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgangsrecht: Teilweiser Sorgerechtsentzug zur Durchsetzung des Umgangsrechts
Leitsatz (amtlich)
Zur Durchsetzung eines Umgangsrechts kommt als familiengerichtliche Maßnahme gem. § 1666 BGB auch ein teilweiser Sorgerechtsentzug im Hinblick auf die Regelung der Umgangskontakte und die Einsetzung eines Umgangspflegers in Betracht, wenn andere geeignete, mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und das Wohl des Kindes ansonsten erheblich gefährdet wäre.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1684 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Aktenzeichen 613 F 116/05) |
Gründe
Die Parteien streiten um das Umgangsrecht des Vaters mit den gemeinsamen Kindern, den am ... 2000 geborenen Zwillingen A und B. Mit der vorliegenden Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Wetzlar, mit dem dieses der Kindesmutter für beide Kinder die elterliche Sorge insoweit entzogen hat, als die Regelung der Umgangskontakte der Kinder zum Vater betroffen ist, und mit dem das AG eine Umgangspflegschaft des Jugendamts der Stadt O1 eingerichtet hat.
Wegen des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die umfangreichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss, dort zu Ziff. I. verwiesen. Auch im Hinblick auf die Begründung des teilweisen Sorgerechtsentzugs und der Einrichtung einer Umgangspflegschaft wird auf die ausführliche Begründung des angegriffenen Beschlusses, dort zu Ziff. II verwiesen.
Die Antragsgegnerin trägt im Beschwerdeverfahren vor, verfahrensrechtlich sei es nicht zulässig gewesen, im Rahmen eines Umgangsverfahrens einen teilweisen Sorgerechtsentzug durchzuführen. Zudem habe es das AG versäumt, überhaupt eine Umgangsregelung zu treffen. Des Weiteren sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht berücksichtigt worden, da die Antragsgegnerin immer kooperativ gewesen sei und einem betreuten Umgang des Vaters mit den Kindern zugestimmt habe. Sie sei nach wie vor davon überzeugt, dass es einen sexuellen Missbrauch gegeben hat. Schließlich sei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden, da über die Frage des teilweisen Sorgerechtsentzuges nicht mündlich verhandelt worden sei.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, dass der Beschluss des AG - FamG - Wetzlar vom 25.5.2007 aufgehoben wird.
Der Antragsteller tritt diesem Antrag im Beschwerdeverfahren entgegen.
Die Beschwerde ist gem. § 621e Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässig und insbesondere fristgerecht gem. § 621e Abs. 3 i.V.m. § 517 ZPO eingelegt worden.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat schließt sich der überzeugenden und ausführlichen Begründung des amtsgerichtlichen Beschlusses in vollem Umfang an. Um zu verhindern, dass die Kindesmutter durch ihre Verweigerungshaltung den Kontakt der beiden Kinder der Parteien A und B zum Vater dauerhaft beeinträchtigt oder gar verhindert und somit das geistige und seelische Wohl der gemeinsamen Kinder der Parteien gefährdet, war gem. § 1666 BGB eine familiengerichtliche Maßnahme in der Weise zu treffen, wie sie das AG angeordnet hat. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist trotz des erheblichen Eingriffs in das Sorgerecht der Mutter gewahrt.
Was zunächst den Einwand im Beschwerdeverfahren angeht, es sei gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen worden, indem ohne eine weitere mündliche Verhandlung der teilweise Sorgerechtsentzug ausgesprochen worden sei, so kann dieser Einwand dahingestellt bleiben, denn jedenfalls ist das rechtliche Gehör in der Beschwerdeinstanz durch die ausführliche Anhörung der Parteien im Termin vom 1.2.2008 nachgeholt worden.
Im Hinblick auf den weiteren Einwand der Antragsgegnerin, im Rahmen eines Umgangsverfahrens hätte das AG nicht auch über einen teilweisen Sorgerechtsentzug beschließen dürfen, vermag dieser Einwand den Senat nicht zu überzeugen. Vielmehr ist ein teilweiser Sorgerechtsentzug im Rahmen eines Umgangsverfahrens gem. § 1684 BGB als zulässig anzusehen (OLG Frankfurt FamRZ 2002, 1585 ff.; Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl. München 2008, § 1684 Rz. 41). Nach einer Entscheidung des BVerfG vom 30.8.2005 (NJW-RR 2006, 1 f.) kann als Mittel zur Durchsetzung eines Umgangsrechts auch die familiengerichtliche Maßnahme des teilweisen Sorgerechtsentzugs zum Einsatz gebracht werden. Dies folge aus § 52a Abs. 3 Satz 2 FGG, nach dem das Gericht im Rahmen eines Vermittlungstermins darauf hinzuweisen hat, dass die Vereitelung oder Erschwerung eines Umgangs seitens des sorgeberechtigten Elternteils auch zu einer Einschränkung oder einem Entzug der elterlichen Sorge nach Maßgabe des § 1666 führen könne. Auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz sei die Auffassung nicht zu beanstanden, mit der teilweisen Sorgerechtsentziehung zur Durchsetzung des Umgangsrechts werde kein neuer Verfahrensgegenstand neben dem zu verhandelnden Umgangsrechts eingeführt, sondern lediglich das Umgangsrecht abgesichert.
Damit stellt sich der teilweise Entzug ...