Leitsatz (amtlich)
Ein Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeantrag ist nicht als gleichwertiges Schriftstück i.S.d. Art. 9 EuUnthVO anzusehen, mit dessen Einreichung bei Gericht das Hauptsacheverfahren als eingeleitet gilt.
Das anzuwendende materielle Unterhaltsrecht bestimmt sich - abweichend von Art. 3 Haager Unterhaltsprotokoll (HUP) - gemäß Art 4 Abs. 3 HUP nach dem Ort des vom Berechtigten angerufenen Gerichts, in dem die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Die Beschränkung des Verfahrensgegenstandes nach § 237 Abs. 3 FamFG auf den Mindestunterhalt gilt nicht nur bis zur rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung (entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2011, 8 UF 257/10, FamFR 2011, 523); der Unterhaltsverpflichtete ist durch die Abänderungsmöglichkeit nach § 240 FamFG hinreichend geschützt (zur Zuständigkeit hierfür: BGH, Beschl. v. 14.10.2015, XII ZB 150/15).
§ 237 Abs. 3 FamFG sieht den Abzug von Kindergeld nach § 1612b BGB nur vor, soweit solche Leistungen tatsächlich bezogen werden.
Normenkette
BGB §§ 1612a, 1612b; FamFG §§ 100, 179, 237, 240; EuUnthVO §§ 3, 9, 75; HUP § 14
Verfahrensgang
AG Fürth (Beschluss vom 03.07.2013; Aktenzeichen 4 F 92/11 UK) |
Nachgehend
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 08.09.2000 bis 28.02.2015 in Höhe von 49.508,19 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin ab März 2015 einen monatlich im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe des jeweiligen Mindestunterhaltes der dritten Altersstufe gemäß § 1612a Abs. 1 S. 3 BGB, das entspricht einem derzeitigen Zahlbetrag von 426,00 EUR monatlich, zu zahlen.
Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die Entscheidung ist sofort vollziehbar.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 34.582,39 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten, beide US-amerikanische Staatsangehörige, streiten im Beschwerdeverfahren noch um Kindesunterhalt. Die Kindesmutter und der Antragsgegner unterhielten im Jahr 1999, als sich beide als Angehörige der amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, eine kurzzeitige Beziehung, der der Antragsteller entstammt. Nach der Geburt des Kindes kehrte die Kindesmutter mit dem Kind zurück in die USA. Das betroffene Kind, das in den Vereinigten Staaten im Bundesstaat Pennsylvania lebt, hat im erstinstanzlichen Verfahren die gerichtliche Feststellung begehrt, dass der Antragsgegner sein Vater sei, verbunden mit dem Antrag, dem Antragsgegner die Zahlung von Unterhalt ab dem Tag der Geburt aufzuerlegen, wobei irrtümlich der Tag der Geburt des Antragstellers mit dem 09.08.2000 und nicht wie es richtig ist, mit dem 08.09.2000 angegeben wurde. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Antragsgegners hat das AG mit dem angefochtenen Beschluss die Vaterschaft des Antragsgegners für den Antragsteller festgestellt. Zugleich hat es ausgesprochen, dass der Antragsgegner an das betroffene Kind zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 09.08. bis zum 30.06.2013 in Höhe von 35.493,23 EUR zu zahlen habe. Im Übrigen hat es den Unterhaltsantrag abgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass gemäß der Vorgabe der gesetzlichen Regelung in § 237 FamFG von den Regelunterhaltsbeträgen bzw. den Mindestunterhaltsätzen gemäß § 1612b BGB Kindergeld in Abzug zu bringen sei. Daher hat es für die Zeit von August 2000 bis Juli 2006 nicht den Mindestunterhalt zugesprochen, sondern nur den Betrag, der zusammen mit dem Kindergeld 135 % des Regelunterhaltes erreichte. Für die Zeit ab dem 1.1.2008 hat das AG von den Mindestunterhaltsbeträgen das hälftige Kindergeld in Abzug gebracht. Des Weiteren hat es dem Antragsgegner auferlegt, an das antragstellende Kind ab dem 01.07.2013 einen monatlich im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe des jeweiligen Mindestunterhaltes der 3. Altersstufe gemäß § 1612a Abs. 1 S. 3 BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind (derzeitiger Zahlbetrag 334,00 EUR) zu zahlen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Unterhaltsantrag des betroffenen Kindes gemäß § 237 Abs. 1 FamFG zulässig sei, der Antragsteller gemäß § 237 Abs. 3 S. 1 FamFG Unterhalt lediglich in Höhe des Mindestunterhaltes und gemäß den Altersstufen nach § 1612a Abs. 1 S. 3 BGB und unter Berücksichtigung der Leistungen nach § 1612b oder 1612c BGB verlangen könne. Da gemäß § 237 Abs. 3 S. 3 FamFG in dem Verfahren eine Herabsetzung oder Erhöhung des Unterhalts nicht verlangt werden könne, komme es weder darauf an, nach welchem Recht sich der materiell-rechtliche Unterhaltsanspruch richte, noch sei entscheidend, ob der Antragsgegner leistungsfähig sei. Unbeachtlich sei weiter au...