Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der Aussetzungsentscheidung in der Rechtsmittelinstanz
Leitsatz (amtlich)
Die Aussetzung eines Verfahrens nach § 149 Abs. 1 ZPO ist ermessensfehlerfrei, wenn der Aussetzungsbeschluss nachprüfbar ergibt, dass das erstinstanzliche Gericht den Vorteil einer gründlicheren Klärung im Strafprozess aufgrund der konkreten Umstände des Falles gegen den Nachteil der Verzögerung der Entscheidung im Zivilprozess abgewogen hat unter Herausarbeitung der streitigen Umstände, auf die es im Zivilverfahren ankommt und die im Strafverfahren leichter oder einfacher geklärt werden können.
Normenkette
ZPO § 149 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hanau (Beschluss vom 04.04.2012; Aktenzeichen 1 O 1483/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) und zu 5) wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Hanau vom 4.4.2012 aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert beträgt 1.540.000,- EUR.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz von Schäden i.H.v. rund 7,7 Mio. EUR in Anspruch, die aufgrund betrügerisch überhöhter Abrechnungen entstanden sein sollen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/M. hat neben weiteren Beschuldigten auch die Beklagten zu 1), 3) und 4) u.a. wegen der hier in Rede stehenden Taten angeklagt. Die 12. Strafkammer des LG Frankfurt/M. hat die Anklage zugelassen und Hauptverhandlungstermine in der Zeit vom 7.5.2012 bis zum 10.12.2012 anberaumt.
Das Verfahren ist hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 2) gem. § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Mit Beschluss vom 4.4.2012 hat das LG angekündigt, die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) durch Teilurteil abweisen zu wollen; hinsichtlich der Beklagten zu 1) und zu 5) hat das LG die Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das Strafverfahren gem. § 149 Abs. 1 ZPO angeordnet und diese Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass im Strafverfahren eine weitgehende Klärung der Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu erwarten sei.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagten zu 1) und zu 5) mit der Begründung, das LG habe ihr Beschleunigungsinteresse gegen den allenfalls in eingeschränktem Umfang möglichen Erkenntnisgewinn aus dem Strafverfahren nicht sachgerecht abgewogen.
II. Die gem. § 252 ZPO zulässigen sofortigen Beschwerden der Beklagten zu 1) und zu 5) sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Anordnung der Aussetzung des Verfahrens.
Die angefochtene Entscheidung ist ermessensfehlerhaft. Es ist nicht ausreichend erkennbar, dass die Ermessensausübung auf ausreichenden Erwägungen beruht.
Für das Beschwerdegericht muss aufgrund der Begründung des Aussetzungsbeschlusses nachprüfbar sein, dass das erstinstanzliche Gericht den Vorteil einer gründlicheren Klärung im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz im Strafprozess aufgrund der konkreten Umstände des Falles gegen den Nachteil der Verzögerung einer Entscheidung im Zivilprozess abgewogen hat (BGH, MDR 2010, 280, 281 m.w.N.). Eine auf die konkreten Umstände des Falles bezogene Abwägung erfordert, dass die streitigen Umstände, auf die es im Zivilverfahren ankommt und die im Strafverfahren leichter oder einfacher geklärt werden können, konkret herausgearbeitet werden (OLG München, NJW-RR 2008, 1092 und OLGR 1995, 238, 239; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 2534; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.7.2006 - 4 W 60/06, juris).
Diesen Anforderungen wird die pauschal gehaltene Begründung des LG, dass im Strafverfahren eine weitgehende Klärung der Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu erwarten sei, nicht gerecht. Es ist nicht erkennbar, für welche im Zivilrechtsstreit streitigen Tatsachen das Strafverfahren eine Klärung erwarten lässt. Das gilt in besonderer Weise für die Aussetzung des Verfahrens gegen den Beklagten zu 5), gegen den sich das Strafverfahren nicht richtet. Sollte es für die Klärung von dessen Tatbeteiligung auf die Vernehmung von nur zwei Zeugen ankommen, wie der angefochtene Beschluss andeutet, wäre insoweit ohnehin eine einfachere oder leichtere Klärung des Sachverhalts im Strafverfahren zu verneinen, zumal Zeugenaussagen im Strafverfahren nur unter besonderen Voraussetzungen inhaltlich protokolliert werden. Danach kann nicht festgestellt werden, dass das LG bei der Anordnung der Aussetzung des Verfahrens gegen die Beklagten zu 1) und zu 5) von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die entstandenen Kosten Teil der Prozesskosten sind (BGH MDR 2006, 704). Das Interesse der Beklagten zu 1) und zu 5) an der Aufhebung der Aussetzung des Rechtsstreits bewertet der Senat mit 20 % des Hauptsachewertes (vgl. OLG München NJW-RR 2008, 1091, 1093 m.w.N.).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 3604169 |
NJW-RR 2013, 184 |
AA 2013, 128 |
PAK 2013, 77 |