Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltskosten des Gegners als notwendige Kosten i.S.v. § 91 I ZPO bei Rücknahme des Rechtsmittels vor Entfaltung der Tätigkeit des gegnerischen Anwalts
Leitsatz (amtlich)
Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind auch solche Anwaltskosten zu erstatten, die zwar nicht objektiv, aber aus Sicht eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durften, was bei einer zwischenzeitlichen Rechtsmittelrücknahme auch dann der Fall ist, wenn diese weder dem Gegner noch seinem Verfahrensbevollmächtigten bekannt war oder bekannt sein musste.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Offenbach (Beschluss vom 14.04.2014; Aktenzeichen 308 F 943/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsgegner wurde durch Beschluss des AG - Familiengericht - Offenbach vom 22.3.2013 zur Zahlung von rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt an die Antragstellerin verpflichtet. Gegen diese Entscheidung legte er mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 29.4.2013 Beschwerde ein, wobei ergänzend darauf hingewiesen wurde, dass die Beschwerde "zunächst fristwahrend" erfolge. Aufgrund amtsrichterlicher Verfügung vom 14.5.2013 wurde die Beschwerdeschrift formlos an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin übersandt und die Akten dem OLG vorgelegt. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 24.5.2013, ausgeführt am 3.6.2013, wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Beschwerdeschrift zugestellt und dem Verfahrensbevollmächtigten der Eingang der Beschwerdeschrift und das Aktenzeichen des Beschwerdegerichts mitgeteilt. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 5.6.2013, eingegangen beim AG per Telefax noch am selben Tag, nahm der Antragsgegner die Beschwerde zurück. Mit Schriftsatz vom 6.6.2013, eingegangen am 7.6.2013, teilte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass sie diese auch in der zweiten Instanz vertrete. Mit Senatsbeschluss vom 13.6.2013 legte das OLG dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27.11.2013 beantragte die Antragstellerin Anwaltskosten i.H.v. 1,6 Verfahrensgebühr aus einem Wert von 15.057,83 EUR und 20 EUR pauschale für Entgelte aus Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, mithin i.H.v. 1.101,46 EUR gegen den Antragsgegner festzusetzen. Gegen die mit Beschluss des Rechtspflegers vom 14.4.2014 antragsgemäß erfolgte und dem Antragsgegnervertreter am 7.5.2014 zugestellte Kostenfestsetzung, legte der Antragsgegner durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 15.5.2014, eingegangen beim AG am 16.5.2014, sofortige Beschwerde und rügte, dass die Bestellungsanzeige erst nach Rücknahme des Rechtsmittels erfolgt sei und im Übrigen auch kein Sachantrag gestellt worden sei. Mit Beschluss des AG vom 25.9.2014 half der Rechtspfleger der Beschwerde insoweit ab, als die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 RVG-VV auf die 1,1-fache Gebühr reduziert wurde. Im Übrigen half er der Beschwerde nicht ab.
Der Senat hat nach Übertragung der sofortigen Beschwerde durch den Einzelrichter nach § 568 S. 2 Nr. 2ZPO in der im GVG vorgeschriebenen Besetzung entschieden, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
II. Die nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte und im Übrigen nach §§ 567 ff. ZPO auch zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Mit der Einreichung des Schriftsatzes vom 6.6.2013 ist für die von der Antragstellerin beauftragte verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwältin die reduzierte 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 angefallen, da ihr Auftrag für die Vertretung der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nach §§ 58 ff. FamFG endete, bevor sie einen Sachantrag gestellt hat oder zur Sache selbst vorgetragen hat.
Die Kosten eines vom Beschwerdegegner beauftragten Rechtsanwalts sind nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nur dann zu erstatten, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Es entspricht dabei der heute gesicherten Rechtsprechung des BGH, dass allein der Umstand, dass ein Rechtsmittel nur "fristwahrend" eingelegt worden ist, nicht allein zur Verneinung der Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwaltes für das Rechtsmittelverfahren führt, da eine generelle Stillhalteverpflichtung für den Rechtsmittelgegner nicht besteht (BGH NJW 2003, 756; AGS 2007, 537). Auch wenn noch nicht sicher ist, ob das Rechtsmittel durchgeführt werden soll, sind die Kosten eines gleichwohl beauftragten Rechtsanwalts durch den Gegner dann erstattungsfähig, wenn der Rechtsmittelgegner - wie hier - anwaltlichen Rat in einer für ihn als risikohaft empfundenen Situation für erforderlich halten durfte (BGH NJW-RR 2014, 240; NJW 2003, 756). Nachdem die Beschwerde des Antragsgegners bereits mit Datum vom 29.4.2013 eingelegt worden war, war es aus Sicht eines verständigen Besch...