Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Anforderungen der Bewilligung von Akteneinsicht an einen nicht verfahrensbeteiligten Dritten nach § 299 Abs. 2 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der von dem Gerichtsvorstand nach § 299 Abs. 2 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung hat dieser keine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob und gegebenenfalls welche Bestandteile der Akten objektiv zur Gewinnung der von dem Dritten erhofften Informationen tatsächlich geeignet sind, und muss Aktenbestandteile, die solche Informationen nicht enthalten, auch nicht grundsätzlich von der Einsichtnahme auszunehmen.

2. Eine Partei kann die Anfechtung eines Bescheids, der dem Dritten Einsichtnahme in Prozessakten bewilligt, nicht darauf stützen, dass Rechte anderer Personen auf informatiionelle Selbstbestimmung durch die Akteneinsicht verletzt würden.

 

Normenkette

EGGVG §§ 23, 28; ZPO § 299 Abs. 2

 

Tenor

Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27.04.2020 gegen den Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.03.2020 (Az. ...) wird zurückgewiesen.

Die Vollziehung des vorbezeichneten Bescheids wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung ausgesetzt.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten zu tragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine Bank, welche eine der beiden Beklagten des abgeschlossenen Zivilprozesses vor dem Landgericht Frankfurt am Main mit dem Aktenzeichen ... (im Folgenden: Ausgangsverfahren bzw. -prozess) war. Die Antragstellerin wendet sich vorliegend gegen einen Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.03.2020 (Az. ...), mit welchem dieser der an dem Ausgangsverfahren nicht beteiligten A GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden nur: die Dritte) Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens bewilligte.

Eine zwischenzeitlich insolvente Aktiengesellschaft beabsichtigte, eine Anleihe in Form von Inhaberschuldverschreibungen zu begeben. Die Dritte wurde in Zusammenhang mit der Emission dieser Anleihe aufgrund eines mit der Emittentin geschlossenen Treuhandvertrags tätig.

Das Ausgangsverfahren hatte die Klage einer Anlegerin, welche die Anleihe gezeichnet hatte, auf Ersatz der ihr dadurch entstandenen Schäden gegen die Antragstellerin und eine weitere Bank zum Gegenstand.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 06.08.2018 (Bl. 1 ff. d. Verwaltungsvorgangs des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main zu ...), auf den wegen seiner Einzelheiten Bezug genommen wird, ersuchte die Dritte bei dem Landgericht Frankfurt am Main um Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens. Zur Begründung führte sie an, sie werde in diversen Rechtsstreitigkeiten von Gläubigern der genannten Anleihe auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Klagen würden damit begründet, dass die Dritte ab dem Zeitpunkt, zu dem sie von der Emittentin über die von dieser angenommene Unwirksamkeit der für die Anleihe ausgegeben Globalurkunden in Kenntnis gesetzt worden sei, keine Mittelfreigaben nach Maßgabe des Treuhandvertrages mehr hätte erteilen dürfen.

Der Präsident des Landgerichts hörte die Parteien des Ausgangsverfahrens zu dem Gesuch an. Neben der Antragstellerin, die der Akteneinsicht mit Anwaltsschriftsatz vom 28.08.2018 (Bl. 11 ff. d. Verwaltungsvorgangs) widersprach, willigten auch die weiteren Parteien in die Akteneinsicht nicht ein.

Der Präsident des Landgerichts übersandte der Dritten die Anwaltsschriftsätze, mit welchen die Parteien des Ausgangsverfahrens jeweils ihre Zustimmung zur Akteneinsicht verweigerten, zur Stellungnahme. Innerhalb der ihr gesetzten Stellungnahmefrist ersuchte die Dritte um Fristverlängerung.

Der von dem Präsidenten des Landgerichts mit der Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche nicht prozessbeteiligter Dritter betraute Richter am Landgericht übersah den Fristverlängerungsantrag und wies mit Bescheid vom 27.09.2018 (Bl. 59 ff. d. Verwaltungsvorgangs) das Einsichtnahmegesuch mit der Begründung zurück, ein rechtliches Interesse der Dritten an der Akteneinsicht sei nicht dargelegt.

Gegen jenen Bescheid beantragte die Dritte gerichtliche Entscheidung.

Sie ergänzte unter Erwiderung auf die Stellungnahme der Parteien des Ausgangsverfahrens ihr Vorbringen dahingehend, dass nach dem ihr vorliegenden Tatbestand des Urteils im Ausgangsverfahren die der Anleiheemission zugrundeliegende Globalurkunde nach Auffassung des Landgerichts nicht unwirksam gewesen sei.

Für die weitere Rechtsverteidigung der Dritten in den gegen sie gerichteten Parallelverfahren sei es - was sie im Einzelnen darlegte - insbesondere von maßgeblicher Bedeutung, dass sie die Behauptung entkräften könne, die Anleiheemission sei objektiv unwirksam gewesen. Für ihre Rechtsverteidigung bedeutsame tatsächliche Umstände zur Wirksamkeit der Globalurkunde könnten dem...

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